© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/04 30. Januar 2004

Am besten abwickeln
Bundesagentur für Arbeit: Der arrogante Chef geht, das Problem bleibt
Bernd-Thomas Ramb

Der Abgang auf Raten ist vollzogen. Unter dem medialen Dauerfeuer der letzten Wochen hat der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit (BA) dem Leiter der umbenannten Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster (SPD), das Vertrauen entzogen. Damit blieb dem Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, Wolfgang Clement (SPD), der bis zuletzt treu zu Gerster gehalten hatte, keine andere Wahl als die Entlassung. Rechtlich hätte Clement das nahezu einstimmige Votum des Verwaltungsrates ignorieren können, denn schließlich bestimmt immer noch die Bundesregierung, wer BA-Chef wird oder bleibt. Der Auffassung des Verwaltungsrates, Gerster schade der Reform der Bundesanstalt zur Bundesagentur mittlerweile mehr als er sie noch vorantreiben könne, vermochte sich aber nunmehr selbst Bundesminister Clement - und hinter ihm der Bundeskanzler - nicht entziehen.

Der Sturz Gersters, genauer sein Vertrauensverlust, basiert auf verschiedenen Faktoren, die sich letztlich in einem unlösbaren Grundproblem vereinen. Der vordergründig angeführte Skandal wegen nicht formvollendet ausgeschriebener Beraterverträge ist ebenso trivial wie charakteristisch. Die beanstandeten Verträge machen einen Bruchteil der Plankosten aus, die für externe Beratungen angesetzt und ausgegeben wurden. Wäre Gerster in der Position des Spitzenmanagers eines großen Wirtschaftsunternehmens, gäbe es überhaupt keine Diskussion darüber. Schon weil kleinliches und bürokratisches Gehabe bei der Ausübung eines Spitzenmanagements weder gefordert noch gewünscht ist. Die Bundesanstalt, pardon Bundesagentur, ist nun aber kein Großunternehmen, sondern bleibt trotz Namensänderung eine Großbürokratie. Da aber zählt das peinlich korrekte Einhalten von Verwaltungsvorschriften.

Gersters zweiter Fehler war, daß er von sich selbst als Spitzenmanager und davon überzeugt war, bei der Umgestaltung der Bundesanstalt diese Rolle spielen zu dürfen, ja zu müssen. Das begann schon unmittelbar vor seiner offiziellen Ernennung zum Bundesarbeitsamtsleiter vor 22 Monaten. Gersters vorgezogene Presseverlautbarung kündete radikale Reformen der Bundesanstalt an, darunter Leistungskürzungen für Arbeitslose, eine Halbierung der Beschäftigtenzahl bei der Bundesanstalt und die Abschaffung der Landesarbeitsämter. Wenn Gerster ein ins Trudeln geratenes Wirtschaftsunternehmen übernommen hätte, wären solch starken Worte zumindest auf die Zustimmung der Aktionäre gestoßen. Die Beschäftigten des Unternehmens hätten zwar geflucht, aber noch mehr gezittert, und einige Mutige eine Demonstration zum Erhalt der Arbeitsplätze oder gar einen Streik gewagt. Mitarbeiter von staatlichen Behörden wie der BA arbeiten da viel diffiziler und raffinierter.

Wen wollte, drittens, Gerster mit seinem Spitzenmanagergehabe beeindrucken? Die Bürokraten in seinem Hause sicher nicht, denn wenn diese Interesse an einer in seinem Sinne gut funktionierenden BA besäßen, hätten sie längst von sich aus entsprechende Umbaumaßnahmen eingeleitet. Wollte Gerster den Verwaltungsrat beeindrucken? Der besteht zum großen Teil aus Gewerkschaftern und Vertretern eben jener Beschäftigten, die unter der Neuorganisation zu leiden haben. Wollte Gerster dem Bundeskanzler oder dem Bundsarbeitsminister imponieren? Beide haben vorrangig Interesse an politisch verwertbaren Erfolgen. Der Schrumpfungsprozeß einer Behörde stößt zwar prinzipiell auf den Beifall der Bevölkerung, wenn jedoch die Begleitmusik mit derartigen medialen Mißtönen unterlegt ist, kippt die politische Ertragsbilanz. Politiker ziehen da knallhart die Reißleine. Also bleibt nur das Motiv der Selbstgefälligkeit. Über dieses stürzen aber auch die echten Spitzenmanager der Wirtschaft.

Gersters Grundfehler war der Glaube, die Bundesanstalt für Arbeit nach ihrer Umbenennung in Bundesagentur wie ein Wirtschaftsunternehmen leiten zu können. Jeder Nachfolger, der bei diesem Irrtum bleibt, wird letztlich ebenso scheitern. Wäre die BA eine AG, könnten die Aktionäre für entsprechenden Druck sorgen und der Aktienkurs als Erfolgsmaßstab dienen. Wer nun aber meint, dann müsse die BA halt in eine AG umgewandelt werden, geht fehl. Die Bundesanstalt für Arbeit kommt auch als Bundesagentur nicht an der Tatsache vorbei, daß ihre Hauptaufgabe die Verwaltung der Arbeitslosigkeit ist und bleibt. Da besteht weder die Aussicht auf Gewinne noch die Absicht auf Wertverbesserung wie bei einem Unternehmen.

Wenn schon der Vergleich gezogen wird, sollte offen bekannt werden, daß das Unternehmen BA nicht sanierungsfähig ist. Da kein Aufkäufer in Sicht ist, bleibt nur die Schließung. Das klingt bitter, bietet aber auch die Chance für Neuanfänge. Konkret bedeutet das: Private Vorsorge gegen Arbeitslosigkeit durch Rücklagenbildung oder durch den Abschluß privater Versicherungsverträge, private Ausbildungs- und Umschulungsinvestitionen, nichtstaatliche Arbeitsplatzvermittlungsagenturen, die privat bezahlt werden, und alles weitere, was mit privat anfängt und Entstaatlichung beinhaltet. Die politische Einsicht, die Bundesanstalt für Arbeit besser abzuwickeln als umzumodeln, dürfte allerdings noch einige Rücktritte à la Gerster und mehr erfordern.


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