© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/04 23. Januar 2004

Meldungen

Sushi-Appetit und Albatros-Massaker

BONN. Bis 2050 wird ein Viertel aller Tier- und Planzenarten von diesem Planeten verschwunden sein, wenn sich die "Weltgemeinschaft" nicht zu einer drastischen Reduzierung der Treibhausgase entschließe. Dieser alarmierende Befund eines Forscherteams addiert die zu erwartenden Verluste auf die abstakte Zahl von einer Million Arten (Nature, 2 /04). Erst der Einzelfall konkretisiert dieses Schreckensszenario, dessen Ausmaße zudem durch die Verengung auf das CO2-Problem eher verdeckt werden. So konzentriert sich John Ridgway - unterstützt von BirdLife International - darauf, auf die akute Gefährdung der Albatrosse aufmerksam zu machen. 100.000 dieser eleganten Weltumsegler gehen jedes Jahr an köderbespickten Langleinenhaken zugrunde, die bei der rücksichtslosen Ausbeutung der Ozeane eingesetzt werden (Naturschutz heute, 4/03). 17 von 21 Albatrosarten stehen bereits am Rande der Ausrottung, vom Amsterdam-Albatros segeln noch ganze 90 Tiere über die südliche Weltmeere. Die hunderttausendfache Schlächterei an Charles Baudelaires mythischem Vogel verursachen zum Teil Piratenfischer, die dem "Sushi-Fisch", dem Seehecht, mit verbotenem Fanggerät nachstellen (www.savethe albatross.birdlife.org.uk).

 

Vom Zerfließen staatlicher Einheit

WIESBADEN. Wie die politische Macht zu bündeln ist, die früher der Staat bündelte, fragt Alexander Graser im Jubiläumsheft der seit dreißig Jahren erscheinenden linksliberalen Zeitschrift Leviathan (3/04). Graser sucht die Antwort bei neueren staatsrechtlichen und politikwissenschaftlichen Erklärungsmodellen, die das "Zerfließen" staatlicher Macht analysieren und nach neuen Ordnungsinstanzen und Legitimationsmustern Ausschau halten. In der deutschen, "etatistisch" geprägten Staatsrechtslehre macht er dabei ein großes Unbehagen über das im Zeichen von Globalisierung und Europäisierung erkennbare Auftreten "multipler" Machtzentren aus. In der Politikwissenschaft verbreite der Modellfall des Polyzentrismus, die europäische Einigung, keine Schrecken mehr. Hier hat man längst Auswege aus dem Legitimationsproblem gefunden. Die bevorzugte Rückbindung an die Legitimationsinstanz der "Völker" Europas wirke zwar noch wenig konkret. Zumal das Modell des "Staatenbundes" inzwischen theoretisch obsolet anmute, da die darin nicht aufgelösten Nationalstaaten immer noch zu "gefährliches" nationalistisches Potential bergen. Andererseits könnten die Nationen in diesem Rahmen "in Schach gehalten" werden, wenn sich eine kulturelle Homogenität oberhalb der Mitgliedsstaaten ausbilde. Fraglich sei nur, ob es überhaupt noch realistisch sei, an überkommenden Einheitsvorstellungen festzuhalten und man sich nicht eher an ein "polyzentrisches Denken" gewöhnen solle.


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