© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 05/04 23. Januar 2004

Alltäglicher Wahnsinn
Sprache: "Tätervolk" zum "Unwort des Jahres" erklärt
Doris Neujahr

Das Wort "Tätervolk" ist "verwerflich". Das hat eine Jury, die bei der Goethe-Universität in Frankfurt am Main angesiedelt ist, festgestellt und es zum "Unwort" des Jahres 2003 erklärt. Ein ganzes Volk würde damit für die Verbrechen einer Gruppe verantwortlich gemacht.

Diese Einsicht kommt ein bißchen spät, schließlich werden die Vokabel und ihre verschiedenen Synonyme seit Jahren benutzt. Solange die kollektivistische Zuschreibung aber nur Deutschland betraf, hat sie die Sprachexperten nicht gestört. Das war politisch korrekt, wie es intellektuell unredlich und feige war. Es bedurfte erst der abenteuerlichen Analogie des CDU-Abgeordneten Martin Hohmann, um den verbalen Skandal als solchen öffentlich zu machen. Obwohl die Jury bekundet, daß ihre Entscheidung sich gegen Hohmann richtet, stellt sie faktisch seine Rehabilitierung dar. Am Pranger steht damit der alltägliche Wahnsinn der deutschen Vergangenheitsbewältigung.


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