© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/04 16. Januar 2004

UMWELT
Ein Vogel will Naturnähe
Volker Kempf

Alle Jahre wieder kommt ein "Vogel des Jahres" geflogen - 2004 handelt es sich um den Zaunkönig. Er ist bekannt als kleinster heimischer Vogel. Vom Aussterben bedroht ist er nicht. So soll es auch bleiben. Dafür aber braucht der Zaunkönig Gärten, Parks und Grünflächen, die naturnah gestaltet oder vielmehr belassen sind. Dazu gehört erst einmal einheimisches Gewächs, aber auch dichtes Unterholz und Ecken mit Totholz und aufgeschnittenen Schnittabfällen. So findet der Winzling einen geschützten Brutplatz und reichlich Nahrung. Häuser, die von außen aussehen wie Kühlschränke, mit denen kann der Zaunkönig hingegen nichts anfangen; er braucht vielmehr Efeu, in dem so allerlei leckeres Kleintier sitzt.

Im Frühjahr kann der Zaunkönig bei uns wieder begrüßt werden: Er kehrt aus Asien, Europa und Nordafrika zurück. Auch für die eigennützigsten Menschen müßte zu hoffen bleiben, daß der kleine Vogel sicher seinen weiten Heimflug antreten kann und nicht unterwegs in italienische Vogelfallen gerät. Denn jede Schnake, die er frißt, kann bei Menschen nicht mehr zustechen. Aber was nützt dem Zaunvogel die Heimkehr, wenn Häuslebauer, Stadtplaner und Kleingärtner sterile Welten schaffen, nur weil das schön ordentlich sein soll? Von dieser Art von Ordnung zu lassen, genau dafür ist der Zaunkönig vom NABU als kleiner Sympathieträger zum Vogel des Jahres 2004 gewählt worden. Und in der Tat, wenn man daran denkt, woran sich der kleine Vogel so erfreuen kann, kann man sich bei einer liebevoll stehengelassenen heimischen Hecke über das darin stattfindende Gezwitscher mitfreuen. Diese Herzlichkeit macht dann auch den betreffenden Gärtner zum Sympathieträger.


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