© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/04 16. Januar 2004

Mit Allah zur Kulturhauptstadt
Augsburg: Zwei türkische Vereine planen den Bau eines umstrittenen islamischen Kulturzentrums / Bürgerinitiative startet Begehren gegen das Zentrum / Bürgermeister diffamiert Kritiker
Frank Berger

In Augsburg planen zwei türkische Vereine den Bau eines umfangreichen islamischen Kulturzentrums, das weit in die Region hineinwirken soll. Auf etwa 10.500 Quadratmetern Fläche sollen im Augsburger Stadtteil Hochfeld, nahe an der Innenstadt und verkehrsgünstig gelegen, eine Moschee mit Minarett, ein türkisches Bad, eine Sport- und Mehrzweckhalle, ein Bildungszentrum und Versammlungsräume sowie Büro- und Geschäftsräume für Arztpraxen, Läden und ein Einkaufszentrum entstehen.

"Es dürfte sich um eines der größten Zentren in Deutschland handeln", so der Vorsitzende des türkisch-islamischen Vereins, Ünal Duyan, der zusammen mit der türkisch-islamischen Union als Bauherr fungiert. Beide Vereine haben gemeinsam etwa 1.000 Mitglieder. Die Investitionssumme des Kulturzentrums, dessen Kern ein vierstöckiger, hufeisenförmiger Gebäudekomplex bildet, beläuft sich auf etwa 15 Millionen Euro.

Unter der Leitung des Moderators Helmut Hartmann tagte in den vergangenen Wochen eine Kommission, die Vorschläge für den städtischen Bauausschuß erarbeiten sollte. Nach vier Sitzungen kam die Projektgruppe zu folgendem Ergebnis: Die geplante Mehrzweckhalle solle kleiner ausfallen, ein zuvor geplanter muslimischer Kindergarten wird nicht mehr angestrebt. Auch der Name des Projekts ändert sich: Sollte es früher noch "Türkisches islamisches Zentrum" heißen, so ist jetzt beabsichtigt, dem umfangreichen Gebäudekomplex den schlichten Namen "Kulturzentrum" zu verleihen.

Von seiten der Bürgeraktion Hochfeld, die gegen das Islam-Zentrum protestiert, wurde Hubert Thiel als Sprecher der Bürgerinitiative in die Kommission entsandt. Thiel kritisierte nachdrücklich die Arbeit der Projektgruppe, da diese die Interessen der Bürger den Forderungen der türkischen Bewerber "untergeordnet" habe. Der gestrichene Kindergarten-Bau tauche unter dem Begriff "Nachhilfe" wieder im Konzept auf und über Sicherheitsfragen sei gar nicht erst gesprochen worden. Die Hochfelder Bürger befürchten darüber hinaus, daß das Islam-Zentrum Muslime aus ganz Deutschland anziehen wird und dadurch die kulturelle Identität ihres Stadtteils gefährdet wäre, in dem schon jetzt etwa ein Drittel der Schulkinder aus türkischen Familien stammt.

Um die betroffenen Bürger über das "Islam-Zentrum" zu informieren, initiierte die Stadt Augsburg zwei Informationsveranstaltungen. In beiden Veranstaltungen sprach sich die überwältigende Mehrheit der Bürger vehement gegen das umstrittene Bauprojekt aus. Ins Feld geführt wurden vor allem Bedenken hinsichtlich der Größe des Zentrums und der voraussichtlichen negativen Auswirkungen auf die Integration der zahlenmäßig in der Stadt sehr stark vertretenen türkischen Muslime.

Auf einer der Veranstaltungen übergab Hubert Thiel dem Moderator Helmut Hartmann über 2.650 Unterschriften, die innerhalb von wenigen Tagen gegen das "Islam-Zentrum" gesammelt wurden.

Auch Muslime sind über das Zentrum sehr beunruhigt

Großen Unmut hat bei einer Veranstaltung im betroffenen Stadtteil ausgelöst, daß Grundsatzfragen über den Islam vom Moderator abgewürgt oder gar nicht zugelassen worden sind. Thiel betonte, "daß auch in Hochfeld Muslime leben, welche vor dem Zentrum Angst haben". Auf einer zweiten Informationsveranstaltung geriet auch der Moderator der Projektgruppe, der ehemalige bayerische Senator und Friedenspreisträger der Stadt Augsburg, Helmut Hartmann, in die Kritik. Ihm wurde mangelnde Unabhängigkeit gegenüber den Konfliktparteien vorgeworfen und eine Nähe zu Islamisten unterstellt. Hintergrund dieses Vorwurfs ist die Tatsache, daß Hartmann Initiator einer Veranstaltung im noblen Goldenen Saal der Stadt Augsburg war, in der dem umstrittenen Vorsitzenden des Zentralrates der Muslime, Nadeem Elyas, eine feierliche Ehrung zuteil wurde.

Als weiterer Kritikpunkt an den türkischen Vereinen wurde von den Bürgern ins Feld geführt, daß in dem umfangreichen Gebäudekomplex Koranschulen eingerichtet werden sollen, die eine Integration hemmen. Die türkischen Bauherren bestätigten ihre Absicht, Koranschulen zu betreiben. Betroffenheit erzeugten bei den Hochfelder Bürgern auch die Aussagen der hiesigen SPD-Stadtratsfraktion. Diese konstruierte einen Zusammenhang zwischen den Protesten der Bürger und einem etwaigen Rechtsextremismus.

Überrascht durch den massiven Widerstand der Stadtteilbewohner, warnte die SPD diese davor, sich von "Rechtsradikalen beeinflussen" zu lassen. Konkret war die Rede von "braunen Zündlern", die "Pamphlete" verteilen. Schon zuvor hatte eine Äußerung des SPD-Oberbürgermeisters Paul Wengert für Aufregung gesorgt, der die Proteste der Hochfelder Bürger als eine "Bewegung" bezeichnete, "bei der ich ein ausgesprochen ungutes Gefühl habe."

Beobachter dieser verbalen Äußerungen wiesen in diesem Zusammenhang auf das pikante Detail hin, daß der Sprecher der Bürgeraktion Hochfeld, Hubert Thiel, früher für die SPD im Stadtrat saß und daß die Bürgeraktion in ihrem eigens errichteten Bürgerhaus schon seit Jahren intensive Integrationsarbeit für ihre muslimischen Mitbürger betreibt, unter anderem durch Sprachkurse und Hausaufgabenhilfen.

Um das überregionale Islam-Zentrum doch noch zu verhindern, hat die Bürgeraktion ein Bürgerbegehren gestartet mit dem Ziel, einen Bürgerentscheid über den Bau zu ermöglichen. Angestrebt wird eine Änderung des derzeit geltenden Bebauungsplans.

Notwendig für die Einleitung eines Bürgerentscheids in Augsburg ist die Einbringung von etwa 9.000 Unterschriften. SPD-Oberbürgermeister Wengert bedauerte den Schritt der Bürgeraktion: "Ich halte es für den völlig falschen Weg, das Islam-Zentrum über ein Bürgerbegehren verhindern zu wollen", teilte er der lokalen Presse mit.

Diese wiederum läßt in ihrer Berichterstattung und dem Abdruck von Leserbriefen fast ausschließlich die Befürworter eines Islam-Zentrums zu Wort kommen und verweist in den Kommentaren darauf, daß die Diskussion um das Islam-Zentrum Augsburgs Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt 2010 gefährden könnte.


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