© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/04 02. Januar 2004

Bandenbildung einer Band
Gerichtsurteil: Der Prozeß gegen die Musikgruppe "Landser" endet mit hohen Freiheitsstrafen / Präzedenzfall für künftige Verfahren geschaffen
Ekkehard Schultz

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ist eine Skinhead-Musikgruppe wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (Paragraph 129 Strafgesetzbuch) verurteilt worden. In seinem am 22. Dezember verkündeten Urteil sah das Berliner Landgericht unter seinem Vorsitzenden Richter Wolfgang Weißbrodt diesen Vorwurf gegen die drei Angeklagten aus der Gruppe Landser als erwiesen an.

In Tateinheit mit Volksverhetzung, Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten wurde Sänger und Texter Michael R. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Seine Mitangeklagten, der Baßgitarrist Andre M. und der Schlagzeuger Christian W., erhielten ein Jahr und acht bzw. ein Jahr und neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Die Bewährungsfrist für M. und W. beträgt jeweils vier Jahre. Außerdem müssen alle Angeklagten neben den Gerichtskosten den erzielten Gewinn aus der Landser-CD "Ran an den Feind" in Höhe von damals 10.000 bzw. 9.000 Mark als sogenannten "Wertverfall" tragen.

Die Formation Landser hatte zwischen 1993 und 2000 sechs CDs bzw. MCs herausgebracht. 1993 erschien "Das Reich kommt wieder", 1996 "Republik der Strolche" und 2000 "Ran an den Feind" als Neuproduktionen. Der erste Zusammenschnitt wurde 1996 unter dem Titel "Berlin bleibt deutsch" veröffentlicht. 1998 erschien "Deutsche Wut - Rock gegen Oben", die jedoch szeneintern vor der eigentlichen Veröffentlichung bereits ebenfalls als sogenanntes Bootleg (nicht offiziell von der Band veröffentlicht) kursierte.

Daher konnte die gleichnamige "offizielle" CD bereits unmittelbar nach ihrer Produktion beschlagnahmt und eingezogen werden. 2000 erschien "Best of Landser", die wie alle anderen Titel mittlerweile indiziert wurde. Grundsätzlich waren alle Produktionen - egal, ob offizielle oder Bootlegs - nicht über Ladengeschäfte und Versandbüros erhältlich, sondern wurden in Schweden und den USA produziert und "unter der Hand" vertrieben.

Auf den Produktionen wurde musikalisch eine Mischung aus Rock, Punk und dem typischen Skinhead-Musikstil Oi präsentiert. Die Texte enthalten häufig Vorstellungen eines vielschichtigen Feindbildes, das von Haß gegen "Rote", "Zecken", "Neger", Ausländer, gegenüber Vertretern christlicher und jüdischer Religionsgemeinschaften sowie staatlichen Vertretern und Institutionen geprägt ist und teilweise mit Rachedrohungen bis zur Vernichtung und Ausrottung gepaart wird. Bestandteil vieler Lieder ist ferner eine einseitige Verherrlichung des Dritten Reiches.

Mit seinem Urteil folgte das Gericht in den wesentlichen Punkten den Anträgen der Bundesanwaltschaft. Diese hatte Haftstrafen zwischen zwei Jahren und drei Monaten bis zu drei Jahren und sechs Monaten gefordert. Die Verteidiger der drei Angeklagten hatten dagegen auf Freispruch plädiert. Nach ihrer Auffassung hätten sich im Laufe des Verfahrens vor dem Kammergericht keine Anhaltspunkte ergeben, die den Tatvorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung bestätigen würden.

Hinsichtlich des Vorwurfes der Volksverhetzung fehle es den Mandanten an einem "subjektiven Unrechtsbewußtsein". 1996 habe die Staatsanwaltschaft Neuruppin ein Verfahren wegen Herstellung und Vertrieb rechtsextremer Musik-CDs eingestellt. Damit hätten die Angeklagten der Meinung sein können, sich mit ihrem Tun nicht strafbar zu machen.

Selbst kritische Beobachter zeigten sich von der Härte des Urteils überrascht. Bereits nach den ersten Wochen des Mammutprozesses mit nahezu 40 Gerichtsterminen hatten Beobachter die angeblich zu große Milde des Vorsitzenden Richters gegenüber den Angeklagten kritisiert. Mitte Oktober hatte gar der Vertreter der Bundesanwaltschaft einen Antrag auf Befangenheit von Weißbrodt gestellt.

Weißbrodt soll vor einer geplanten Polizeirazzia bei einem Skinhead-Treffen im Berliner Stadtteil Köpenick den Verteidiger des Hauptangeklagten angerufen und mit Hinblick auf eine mögliche Beteiligung seines Mandanten auf die gerichtlichen Auflagen aufmerksam gemacht haben. Dadurch sei nicht nur R. gewarnt worden, sondern das Ergebnis die Razzia insgesamt negativ gewesen. Obwohl sich das Gericht unverzüglich hinter Weißbrodt stellte, war seitdem das Verhältnis zwischen der Bundesanwaltschaft und dem Richter äußerst angespannt. Die Verteidigung des Hauptangeklagten R. kündigte an, auf jeden Fall in Revision gegen dieses Urteil gehen zu wollen. Bestenfalls käme bei der Betrachtung der Landser der Vorwurf einer Bandenbildung in Frage, auf die Merkmale wie Gruppenbildung, Konspiration und die Geheimhaltung der Bandproben hinweisen könnten.


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