© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/03 12. Dezember 2003

Ohne grüne Identität
von Volker Kempf

Die Grünen sind kaum wiederzuerkennen, seit sie in Berlin mitregieren. Wichtige Kernelemente grüner Programmatik wurden nach und nach über Bord geworfen. Besonders einschneidend war der Abschied vom Pazifismus. Der Raum für Karrieristen wurde in der Partei größer, der von idealistischen Überzeugungstätern kleiner. Was blieb, war der atomkraftkritische Konsens. Jetzt wird aber aus dem sanften Atomausstieg auch noch ein Atomumstieg, denn die nie zum Einsatz gekommene Siemens-Technologie der Hanauer Plutoniumfabrik soll nach China exportiert werden. Außenminister Joseph Fischer gab all dem seinen Segen. Hat sich Fischer gewandelt - vom AKW-Kritiker zum Mitläufer in den Regierungsmühlen? Das wäre nur die halbe Wahrheit.

Fischer war schon immer ein Sponti - und ist bis heute auch einer geblieben. Denn Spontis setzen spontan auf ein zugkräftiges Thema, um Erfolg zu haben, fahren es aber auch langsam wieder zurück, wenn es seine Schuldigkeit allmählich getan hat. Der Wille zur Macht ist es dann auch, der Fischer immer angetrieben hat, nicht das Ziel des Atomausstiegs. Das Rumoren in der grünen Partei wird damit um so verständlicher. Denn an der Parteibasis hat man noch anderes im Sinne, als nur Fischers Macht zu stützen. Aber was hat die Basis noch zu melden? Zähneknirschend nutzt sich die Partei ab und beerbt die FDP. Damit sind die Grünen inzwischen für die CDU koalitionsfähig. Mit dieser Option gewänne die Partei einen strategischen Vorteil - wofür auch immer.


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