© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/03 05. Dezember 2003

Der lange Schatten des Martin H.
Hohmann-Affäre I: Der CDU-Bundestagsabgeordnete will gegen seinen Fraktionsausschluß juristisch vorgehen / Hohe Hürden für Parteiausschluß
Peter Freitag

In den Tagen vor dem Bundesparteitag der CDU in Leipzig wuchs noch einmal die Zahl derjenigen, die gegen den Ausschluß Martin Hohmanns aus der Bundestagsfraktion protestierten. Nach Angaben der Initiatoren des Appells "Kritische Solidarität" unterzeichneten den Aufruf, der am letzten Wochenende noch einmal als Anzeige in der Welt am Sonntag erschienen war, bereits über 4.000 Mitglieder der Union und Sympathisanten von Martin Hohmann.

Die Fraktionsspitze reagierte dünnhäutig auf den Protest, der offensichtlich als Bedrohung für einen reibungslosen Ablauf des Parteitages wahrgenommen wurde. Unverhohlen drohte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach: "Diesen Kritikern, die nicht erkennen wollen, daß die Rede unerträglich und antisemitisch war, müssen wir jetzt die klare Kante zeigen." Für jemanden, der an antisemitischem Gedankengut festhalte, könne es keine "zweite Chance" geben, so Bosbach in der Berliner Zeitung zu den Forderungen der Hohmann-Unterstützer. Der Fraktionsvize rief die Abgeordneten dazu auf, mit den Vorsitzenden von CDU-Kreis- und Ortsverbänden zu sprechen, deren Mitglieder sich mit Hohmann solidarisierten, und ihnen ein klares Nein zu jeder Form von Rechtsradikalismus zu signalisieren.

Diese Äußerungen riefen wiederum den Unwillen von Fuldas CDU-Oberbürgermeister Gerhard Möller hervor. Er kritisierte den Umgang der Parteispitze mit Hohmanns Sympathisanten scharf. Bosbachs Vorgehen sei "unklug und kontraproduktiv". Es müsse möglich sein, sich von der Rede zu distanzieren, den Rauswurf Hohmanns aus der Partei aber zu kritisieren, sagte Möller. Es wäre fatal, wenn auf seine Sympathisanten von oben Druck ausgeübt würde. Die CDU müsse ihre Mitglieder einbinden und ihnen deutlich machen, daß es in der Union keinen Platz für Antisemitismus gebe.

Unterdessen stimmte die gesamte CDU-Fraktion im hessischen Landtag ebenso wie die Opposition aus SPD, Grünen und FDP einem Antrag zu, der das Vorgehen gegen Hohmann ausdrücklich billigte.

Auch CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer wies im Interview mit Spiegel-Online das Begehren der Unterzeichner des Solidaritätsappells zurück: "Zur Anzeige nur so viel - wir haben Herrn Hohmann sehr viel Zeit gelassen, sich nach der Rüge des CDU-Vorstandes und des Präsidiums eines anderen zu besinnen. Er hat dies abgelehnt. Herr Hohmann hatte seine zweite Chance, und er hat sie nicht genutzt. Wir wollten von ihm keine taktische Entschuldigung, sondern eine ernst gemeinte Distanzierung von den Inhalten seiner Rede. Und das kam nicht."

Aus Hohmanns Umgebung verlautete unterdessen, sein Anwalt bereite eine Klage gegen den Ausschluß aus der Fraktion vor. Damit könnte das Vorhaben der Unionsspitze konterkariert werden, das Verfahren abzukürzen. Denn eigentlich müßte bei parteischädigendem Verhalten zunächst ein Ausschlußverfahren aus der Partei eingeleitet werden, dem im Falle des Erfolgs dann der Fraktionsausschluß folgt.

Nicht ohne Grund fürchtet man an den entscheidenden Stellen jedoch, daß sich das Verfahren in der Partei über einen langen Zeitraum hinwegzieht. Denn dem Beschuldigten stehen hier zunächst mehrere Instanzen der Parteigerichtsbarkeit zur Verfügung, die gegenüber Vorstandsweisungen unabhängig sind und den Vorwurf des Verstoßes gegen die Satzung allein anhand der relevanten juristischen Fakten zu prüfen haben. Im Anschluß daran könnte Hohmann auch noch ordentliche Gerichte anrufen.

Der Ausschluß aus der Fraktion dagegen beruht allein auf einer Mehrheitsentscheidung, die unabhängig von bewiesener "Schuld" ist. Als besonders perfide stellt sich vor diesem Hintergrund der Vorschlag heraus, Hohmann hätte die Fraktion "freiwillig" verlassen sollen. Wäre er dem nachgekommen, hätte er seine Chancen im Parteiausschlußverfahren erheblich verringert.

Denn laut Statut der CDU muß sich ein als Abgeordneter gewähltes Mitglied der CDU auch deren Fraktion anschließen. Verläßt er diese, liegt automatisch ein parteischädigendes Verhalten vor, das einen Ausschluß aus der Union geradezu wahrscheinlich macht. Diese Regelung, von der die Fraktionsjuristen offenkundig nichts wußten (oder wissen wollten), ist hauptsächlich in den kommunalen Vertretungsorganen relevant, um die Integrität der Partei vor Zersplitterung in unabhängige bürgerliche Listen zu schützen. Gültig ist sie jedoch für jede CDU-Fraktion.


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