© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/03 21. November 2003

Frisch gepresst

Griff nach Westen. Fast fünfzig Aufsätze haben Burkhard Dietz und seine Mitherausgeber Helmut Gabel und Ulrich Tiedau versammelt, um ein wissenschaftshistorisch komplexes Phänomen zu analysieren. Es geht, nachdem die "Ostforschung" seit langem auch die Aufmerksamkeit eines Laienpublikums findet, um deren Entsprechung, die deutsche "Westforschung", die ihre Schwerpunkte an den Universitäten Münster, Bonn und Köln hatte. Die Beiträge sind an der Verzahnung zwischen Politik und Wissenschaft interessiert und fragen nach dem "Praxispotential" historischer, linguistischer, volkskundlicher oder geographischer Forschung. Einen Schwerpunkt bildet die Flandern-Forschung, deren Wurzeln bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs zurückreichen, als Berliner Kulturpolitiker schon einmal mit wissenschaftlicher Unterstützung die Autonomiebestrebungen zwischen Gent und Antwerpen förderten. In diese Ausgangskonstellation führt Wilfried Dolderers kundiger Aufsatz über den "flämischen Nationalismus und Deutschland zwischen den Weltkriegen" ein, während etwa Björn Rzoska und Barbara Henkes chronologisch einen Schritt weitergehen und sich dem Anteil der Volkskunde an der "großgermanischen Kulturpolitik in Flandern" ebenso widmen wie den Aktivitäten Hans Ernst Schneiders im Rahmen der SS-"Volkstumspolitik" in den Niederlanden - jenes Schneiders, dem als "Hans Schwerte" noch eine Hauptrolle in einem der vielen vergangenheitspolitischen Satyrspiele der Bundesrepublik zufiel (Griff nach dem Westen. Die "Westforschung" der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum 1919-1960. Waxmann Verlag, Münster-New-York 2003, 2 Bände, 1.296 Seiten, Abbildungen, 74 Euro).

Filbinger. Am 15. September feierte der langjährige baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger seinen 90. Geburtstag (JF 38/03). In der Festschrift, herausgegeben unter Leitung des ehemaligen "Landeshistorikers" Fred Ludwig Sepaintner, der auch die Vita Filbingers schrieb, kommen verschiedene Wegbegleiter wie Elisabeth Noelle-Neumann, Günter Rohrmoser oder Klaus Hornung zu Wort. Leider findet sich die großangelegte Medienkampagne 1978, der Filbinger letztlich zum Opfer fiel, nur schemenhaft in den Beiträgen wieder (Hans Filbinger. Aus neun Jahrzehnten. DRW-Verlag, Leinfelden-Echterdingen 2003, 240 Seiten, gebunden, Fotos, 18,90 Euro).


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