© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/03 21. November 2003

Mit einem Wimmern
Eines Tages ist einfach Schluß: Der Gattung Mensch könnte das gleiche Schicksal widerfahren wie den Dinosauriern
Richard Stoltz

Warum sind die Dinosaurier ausgestorben? Viele spektakuläre Theorien versuchten schon, das Rätsel zu erklären. Mal sollten gewaltige Klimastürze die Ursache sein, mal Meteoriteneinschläge aus dem Weltall, mal der permanente Klau von Dinosauriereiern durch die aufkommenden, vorerst nur rattengroßen Säugetiere.

Jetzt haben US-Wissenschaftler aus Ohio bei ihren Forschungen eine weniger dramatische Variante entdeckt: Die Dinos, so sagen sie, hatten Krebs. Radiologische Untersuchungen an Dinoknochen ermöglichen die Feststellung von Tumoren, an denen die Tiere einst litten, und solche Tumor-Diagnosen häufen sich in den Forschungs-Laboratorien. Die Viecher bekamen Krebs, gegen den sie nichts machen konnten und der zu massenhaftem Sterben sowie schließlich zum Aussterben zunächst der pflanzenfressenden Art Hadrosaurus führte.

Wahrscheinlich, schreibt das Wissenschaftsmagazin Science, ernährten sich die Hadrosaurier falsch, fraßen zu viele giftige Nadelhölzer, weil zu ihrer Zeit die schönen saftigen Steinkohlenwälder vergangener Tage immer einförmiger wurden. Solche Lektüre alarmiert natürlich so manchen modernen Zeitgenossen. Eintönig werdende Landschaften, falsche Ernährung, schließlich unheilbarer Krebs - sind das nicht auch heutige Geißeln? Ist im Schicksal der krebskranken Saurier etwa das künftige Schicksal der Menschheit vorgebildet?

Zumindest lernt man hier schon mal: Es muß nicht immer gleich Weltuntergang sein, Klimasturz, Meteoriteneinschlag, Eierklau, damit eine Gattung des Lebens abtritt. Die Welt, schreibt der Dichter und Literaturnobelpreisträger T. S. Eliot (1888-1965), wird nicht mit einem Knall enden, sondern mit einem Wimmern. Man frißt melancholisch vor sich hin, und eines Tages ist eben einfach Schluß. Wie weiland bei den Hadrosauriern vor siebzig Millionen Jahren.


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