© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/03 14. November 2003

Leserbriefe

Zu: "Reden über Deutschland" von Doris Neujahr, JF 46/03

Dressierte Politiker

Eine immerwährende "historische Verpflichtung" existiert nicht. Es sei denn, wir alle entschließen uns, dieses eingeimpfte zwangsneurotische Muster weiter unkritisch und unreflektiert und verantwortungslos an unsere Nachkommen gesamtpolitisch und -gesellschaftlich "weiterzuvererben" - das deutsche Volk bis in alle Ewigkeit in Kollektivhaft zu nehmen.

Ein ähnliches Schicksal wie das deutsche Volk haben auch die Sowjets unter Stalin, die Iraker unter Saddam Hussein erlitten. Keines dieser angeführten Völker wird gesamtschuldnerisch belangt für die vielfach außerhalb jeder parlamentarischen Kontrolle stehenden Taten ihrer Despoten und Staatsvertreter, etwa indem man die irregeleiteten, leidenden Untertanen dieser Politiker auch noch über Generationen als "Täter" zur Verantwortung ziehen würde.

Paul Spiegel hustet - und einige Politiker erleiden eine Lungenentzündung. Die Frage stellt sich, bis zu welchem Grad der Rückgratverkrümmung diese "Volksvertreter", die sich dem Wohle des deutschen Volkes verpflichtet sehen müssen, sich noch dressieren lassen wollen.

Ulrich Dittmann, Kirchheimbolanden

 

Politische Hygiene

Martin Hohmann hatte es gewagt, in seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit auf die jüdische Rolle während der kommunistischen Revolution hinzuweisen. Dieses Thema wird öffentlich kaum behandelt, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen. Am 30. März 2000 hatte sich beispielsweise die FAZ unter der Überschrift "Wer waren Stalins Vollstrecker?" dieser Täterforschung gewidmet. Dem Artikel ist unter anderem zu entnehmen, daß am 10. Juli 1934 der berüchtigte NKWD zu 39 Prozent aus Juden bestand, gefolgt von 36 Prozent Russen/Ukrainern. Letten/Polen/Deutsche hätten zusammen 14 Prozent gestellt, auf andere Gruppen seien in der Summe rund 11Prozent gefallen.

Es gibt zahlreiche jüdische Autoren, die dieses Thema in ihren Büchern behandeln und Hohmanns Äußerungen in vollem Umfang bestätigen. Als Beispiel sei Louis Rapoport genannt, der ehemalige Herausgeber der Jerusalem Post, der in seinem Buch "Hammer, Sichel, Davidstern - Judenverfolgung in der Sowjetunion" (Verlag Ch. Links) diesen Sachverhalt feststellte. Waren der 1991 verstorbene Rapoport und die anderen jüdischen Schriftsteller also Antisemiten?

Martin Hohmann hat als Konsequenz dafür, daß er die Wahrheit zu sagen wagte, seinen Sitz im Innenausschuß des Bundestages verloren. Dem stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden Bosbach zufolge steht der per Direktmandat in den Bundestag gewählte Hohmann ab sofort gar "unter politischer Beobachtung"! Eine derart ungewöhnliche Verwarnung würde man sonst wohl eher Diktaturen zuordnen, in denen weder Presse- noch Meinungsfreiheit existiert, und wo eine "Gedankenpolizei" über die "politische Hygiene" wacht.

Markus Schäfer, Karlsruhe

 

Rote Irren-Anstalten

Nicht der Abgeordnete Hohmann und nicht Brigadegeneral Günzel fügen dem Ansehen unseres Landes schweren Schaden zu - für den größten Schaden sorgt Minister Struck. Mit der öffentlichen Verunglimpfung und Entlassung eines verdienten Kommandeurs zeigt er aller Welt, wie es um die Meinungsfreiheit in der BRD wirklich steht: Hier regieren Gesinnungsschnüffelei, Meinungsdiktatur und Duckmäusertum.

Unsere gleichgeschalteten Schmuddel-Medien spenden Beifall. Manches deutet darauf hin, daß die linke Maulkorb-Ära zu Ende geht. Die Denk- und Sprechverbote unserer "Nomenklatura" werden nachwachsenden Generationen nur noch feige, dumm und peinlich erscheinen. Im günstigsten Falle wird man den Genossen Struck als "verwirrten" Verteidigungsminister in Erinnerung behalten, der mißliebige Offiziere nach sowjetischem Vorbild für "verwirrt" erklärte. Müssen Andersdenkende in der Bundeswehr demnächst mit zwangspsychiatrischer Behandlung in roten Irren-Anstalten rechnen?

Herbert Rauter, Karlsruhe

 

Orwell läßt grüßen

Die öffentliche Hysterie über die "antisemitischen" Äußerungen des Abgeordneten Hohmann erinnert mich an die Lektüre des Buches "Farm der Tiere" von George Orwell. Immer, wenn etwas aufkam, was den Interessen der herrschenden Tiergruppe (den Schweinen) nicht paßte, fingen auf ein Zeichen des Oberschweins Napoleon die Schafe im Chor an zu blöken: "Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht!" Und es half weder den Gänsen noch den Enten und Hühnern, dagegen zu protestieren. Ich kann mir nicht helfen, ich sehe hier ganz einfach unübersehbare Parallelen.

Ernst Lübberstedt, Argenthal

 

Eine Ehre, diese Schande

Als Bürger dieses Landes und Teil dieses Volkes kann ich mich nur noch schämen. Die Politiker, die so gern ohne das lästige Wahlvolk regieren würden, haben systematisch jeden Ansatz von Anstand, Moral, Kultur, Charakter und Vorbildfunktion verwirkt. Spiegel ruft bei Merkel an (das sollte ein "Normalbürger" einmal versuchen), und diese erklärt dem SPD- und Zentralratsfunktionär sogleich, vermutlich ohne die Rede Hohmanns überhaupt zu kennen, daß schärfste Konsequenzen unabdingbar seien. Merkel läßt den verdienten CDU-Mann Hohmann also ohne Gegenwehr (und ohne wirkliche Not) im Stich.

Nun aber der absolute Gipfel: Der hochrangige Brigadegeneral Günzel wird entlassen, weil er Hohmann zu dessen Rede gratuliert hat. Dieser Mann wird entlassen, weil er in einem persönlichen Brief seine freie Meinung (deren Äußerung ihm durch das Grundgesetz garantiert ist!) geäußert hat. Er wird makabererweise entlassen von jenem ungedienten Herrn Struck, der in seinem Leben lediglich Motorrad- aber niemals einen Stahlhelm aufhatte. Andersherum kann eine Entlassung durch einen Genossen wie Peter Struck nur eine ehrenvolle Entlassung sein.

Daniel Jung, Berlin

 

Rückgatlose Weicheier

Wer sich erdreistet, unerwünschte geschichtliche Tatsachen zu verbreiten, den soll die ganze Härte des deutschen Gesetzes treffen, es sei denn, er ist Fallschirmspringer!

Friedhelm Frohn, Bonn

 

Schwund der Freiheiten

Hohmann widerspricht der These von einem Tätervolk als solchem und vergleicht nationalsozialistische mit kommunistischen Verbrechen, bei denen auch Juden ihre Hand im Spiel hatten. Das sind doch historische Fakten - warum also diese Aufregung um die Wahrheit?

Dann das gegen jegliche Sitten bei einer Diskussion verstoßende Herauspflücken von (fast) einzelnen Wortfetzen - nur um jemandem politisch nicht korrektes Verhalten vorwerfen zu können. Wer von den vielen, scheinheiligen Gerechten hat die ganze Ansprache gelesen und sie als Ganzes bewertet? Hat Hohmann Unwahrheiten gesagt? Nein, Unwahrheiten sagen jene Leute, welche in seinen Aussagen eine Relativierung der Nazitaten sehen. Mir fehlt diese blühende Phantasie.

Dafür sehe ich ganz realistisch den Schwund grundsätzlicher, verfassungsrechtlicher Freiheiten des einzelnen Bürgers, sei er nun Abgeordneter oder General. Und die Parteien ziehen die Register dieser traurigen Possen.

Karl Mosler, Bergheim

 

 

Zu: "Seriös erscheinende Leute" von Dieter Stein, JF 45/03

Beleidigt und diskriminert

Keine Zeitung - außer der JF - ist in der Lage, derartig hochbrisante Themen ohne Schönung zu drucken. Herzlichen Dank dafür. Ebenso meinen aufrichtigen Dank für Ihren Entschluß, gutes Deutsch, wie in der 19. Auflage des Duden als Richtschnur gegeben, zu benutzen.

Im Fall des NRW-Verfassungsschutzes (Beitrag von Dieter Stein) ist jedoch für mich nicht nur die Grenze des Zumutbaren überschritten; ich fühle mich durch die Aussage von Hartwig Möller, Chef des Verfassungsschutzes von NRW, beleidigt, kriminalisiert und in meiner Person diskriminiert.

Dieter Schmidt, Fuldabrück

 

 

Zu: "Von der Freiheit einer Filmfigur" von Werner Olles, JF 45/03

Gemeindebesuch

Kann der Autor anläßlich einer Reise zur JF zum Beispiel den Gottesdienst der Mariengemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) in Berlin-Zehlendorf besuchen, sich durch geistliche Werke der Lutheraner Dürer, Cranach, Bach, Händel usw. anregen lassen und danach gut lutherisch Buße tun wegen seiner Aussage, daß Luther Liturgie und heilige Kunst "auf den Müll geworfen hat"?

Ulrich Motte, München

 

Hierarchie als Unterschied

Inwieweit sich Werner Olles tatsächlich mit Luther beschäftigt hat, ist fraglich, sonst hätte er nicht behaupten können, für Luther (und damit die lutherische Kirche) seien die Sakramente nur Bekräftigungsmittel. Schon ein Blick in den von Luther verfaßten Kleinen Katechismus hätte ihn eines anderen belehrt. Zur Taufe heißt es nämlich: "Was gibt oder nützt die Taufe? Sie wirket Vergebung der Sünde, erlöst vom Tod und Teufel und gibt die ewige Seligkeit allen, die es glauben, wie die Worte und Verheißung Gottes lauten."

Die Sakramente sind, wie das pure Wort, Gnadenmittel, geben allerdings nichts anderes als das Wort auch. Und, das ist der entscheidende Unterschied zu Rom: Sie wirken nicht durch den bloßen Empfang, sondern, wie es deutlich auch im Kleinen Katechismus heißt: Nur derjenige hat, was Gott durch sie gibt, der sie im Glauben empfängt. Ohne den Glauben empfangen wir die Gabe nicht. Der Glaube aber spielt bei Rom nur eine untergeordnete Rolle, da alles an der Hierarchie hängt.

Roland Sickerl, Durmersheim

 

Wahre Protestanten

Herrn Olles' Unterscheidung von "katholischer Wahrheit" und "protestantischer Freiheit" übersieht, daß evangelische Freiheit nie gegenüber dem Wort Gottes gilt, sondern nur gegenüber Menschen, die etwas fordern, was die seit fast 2000 Jahren vollendete Bibel verbietet, während der katholische Wahrheitsbegriff Papst und Kirche ausdrücklich ermächtigt, immer neue Änderungen und Ergänzungen biblischer Lehre, ja selbst vorheriger katholischer Lehre, von Marienkult über die Messe bis zur Religionsfreiheit als "Tradition" festzulegen. Hierin mag ein Grund liegen, warum wahre Protestanten und entsprechende Kirchen meist konservativer sind als Katholiken von vielen Päpsten, auch Johannes Paul II. und Bischöfen bis zu kirchlichen Spitzenfunktionären wie Süssmuth, Blüm, Thierse usw.

Ilsemarie Lorenz, Hannover

 

Weit entfernt

Die evangelische Kirche hat sich heute so weit von ihrem biblischen Auftrag, alle Völker zu lehren und zu taufen, entfernt, daß sich ihr die Berufung auf Luther - wenn es denn einmal ins Programm paßt - verbietet. Buße im Sinne der berühmten 95 Lutherthesen meint zunächst nichts anderes als die Umkehr des Menschen vom Weg der Sünde zum Weg der zehn Gebote Gottes - ein Weg, der nur durch den von Luther wiederentdeckten Glauben an Christus beschritten werden kann, ohne institutionalisiertes Bußgebaren. Buße dagegen mit der "Schuld" eines ganzen Volkes - die es theologisch überhaupt nicht gibt - in Verbindung zu bringen, bedeutet eine gefährliche Vermischung von Theologie und Politik, der Christus durch das Wort "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" eine klare Absage erteilt hat. Eben weil die frohe und fröhlichmachende Botschaft von der Vergebung der Sünden das Dauerbüßertum der "Sühnedeutschen" eigentlich ausschließt, überschreitet die Kirche ihre Kompetenz, wenn sie "Schuld" bekennt auf einem Gebiet, in dem das Urteil des Allerhöchsten noch aussteht.

Gerold Sprenger, Kirchzarten

 

 

Zu: "Keinen einzigen Menschen im Stich lassen" von Ivan Denes, JF 45/03

Völkerrecht fehlt völlig!

Scharons Erklärung dafür, daß er die "Schutzmauer" trotz des Beschlusses der Sicherheitsrats der UNO weiterbaut, lautet: Wenn die Mauer einen einzigen Juden retten würde, wäre sie schon gerecht. Diese Erklärung übernimmt Denes ohne Wenn und Aber, obwohl er weiß, daß der Verlauf der Mauer in den besetzten Gebieten eine Gebietserweiterung für Israel bedeutet. Weiterhin ist hier einzuwenden, daß Scharons Beteuerung, es gebe keine andere Möglichkeit, den palästinensischen Terror auszuschalten als diese Mauer und militärische Aktionen, nicht wahr ist. Die Hamas lebt von der Unterstützung eines Großteils des palästinensischen Volkes. Sie fiele gewiß weg, wenn die Besatzung aufhören würde. Als es während der Oslo-Verhandlungen Hoffnung auf eine gewaltlose Befreiung gab, hatte die Hamas nur wenige Unterstützer.

Man könne, so Denes weiter, ernsthaft darüber streiten, ob der Verlauf der Mauer in den "Territorien" gerechtfertigt sei. Nach dem "subjektiven Empfinden" der Palästinenser sei die Mauer eine Demütigung, und sie sei in der Tat ein herber Verlust für einige Bauern. Da aber eine große Mehrheit der Palästinenser die Selbstmordattentate billige, sei ihr Einwand gegen die Mauer in Frage zu stellen. "Die ethischen und religiösen Vorstellungen im Nahen Osten sind dem abendländischen Menschen unvorstellbar." Trifft das in diesem Fall wirklich zu? Und warum ist das Völkerrecht, welches den Abzug Israels verlang, hier nicht einmal erwähnt?

Prof. Dr. Kenneth Lewan, Saerbeck

 

 

Zum Pro & Contra: "Steuerflüchtlinge sanktionieren?", JF 45/03

Keine Besonderheit

Wenn es wirklich so kommen sollte, was Herr Ondracek vorschlägt, daß die Deutschen nach der Staatsbürgerschaft versteuert werden sollen, dann ist das ein weiteres Zeichen der Armut und der Gier. Es ist nicht eine deutsche Besonderheit, die Menschen nach dem Wohnort zu besteuern, es ist international so üblich und in gegenseitigen Verträgen so anerkannt. Aus rein praktischen Gründen würde es dann wahrscheinlich dazu kommen, daß jeder, der etwas mehr verdient, Staatsbürger eines exotischen Landes würde. Bei dem gegenwärtigen Maße an deutschem Patriotismus kann man das getrost vermuten. Es würde genügend Staaten geben, die für ein kleines Bakschisch die Staatsbürgerschaft verkaufen würden.

Nach mehr als 10 Jahren "Grüner Karte" (Permanent Resident) war ich 1999 mehr aus Sentimentalität aus den USA nach Deutschland zurückgekommen. Die Praxis ist so, daß man bereits nach sechs Jahren mit einer "Grünen Karte" in den USA sehr problemlos die Staatsbürgerschaft erhalten kann. Da ich noch in den USA angestellt bin und in Dollar bezahlt werde, traf mich mein Wohnungswechsel sehr erheblich. Nicht nur fiel der Dollar um etwa 30 Prozent, auch muß ich in Deutschland etwa das Zweifache an Einkommensteuer zahlen. In den USA zahlte ich 25 Prozent, hier 50 Prozent des Bruttoeinkommens. Von 1985 bis 1992 war ich der einzige Deutsche in der Firma in den USA. Danach fing die Ausreisewelle an. Inzwischen werden etwa 100 Deutsche für meine Firma in den USA leben und arbeiten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß auch nur einer von denen seine Einkommensteuer in Deutschland zahlen würde! Eher würden sie ihre Staatsbürgerschaft verwerfen, die ja keinen praktischen Wert hat.

Außerdem ist es nicht besonders vorteilhaft, in den USA zu leben und Deutscher zu sein. Nach 15 Jahren Aufenthalt dort kann ich ein Lied davon singen. Und seit Rot-Grün regiert, hat sich das nicht verbessert!

Wolfgang M. Hartmann, per E-Post


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