© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/03 07. November 2003

Meldungen

Projektemacher, die Barbaren unserer Zeit

BONN. "Wir entrinnen der Zerstörung der Bildung durch die Hast unserer Lebensweise nicht, weil wir geradezu manisch dort die Lösung suchen, wo sie für Kultur und Bildung definitiv nicht zu finden ist:" in Politik und Ökonomie. Wer das noch nicht begriffen hat, den zählt Felix Grigat in seinem Plädoyer für die Vorzüge der Langsamkeit zu den Barbaren unserer Zeit (Forschung& Lehre, 9/03). Unterstützt wird Grigat vom Erlanger Philosophen Jens Kulenkampff, der die Geisteswissenschaften einem fatalen "Drang nach Beschleunigung" ausgesetzt sieht. Auf Drittmitteljagd und im Strudel von "Effizienz, Synergieeffekten und Leistungssteigerung" würden die Geisteswissenschaften ihre eigentliche Domäne preisgeben, nämlich das Feld kultureller Erscheinungen zu erschließen und ihrer jeweiligen Zeit ins Bewußtsein zu rufen. Die Ergebisse dieser Arbeit seien nicht planbar und nicht durch "forcierte Projektemacherei" am Fließband zu erzeugen.

 

EU-Reform: Nation durch Netzwerke ersetzen

BADEN-BADEN. Eine der ungelösten Probleme des Projekts europäische Verfassung resultierte aus dem möglichen Verschwinden des Souveräns, da es ein europäisches Volk bislang nicht gebe. Ausgehend von der aktuellen Debatte über die EU-Reform beschäftigt sich der Bremer Politikwissenschaftler Achim Hurrelmann mit den Antworten, wie sie herkömmliche demokratietheoretischen Modelle anbieten (Zeitschrift für Politikwissenschaft, 2/03). Die dort behauptete Notwendigkeit eines "Demos" relativiert Hurrelmann unter Hinweis auf "zivilgesellschaftliche Integrationsmodelle", die in letzter Konsequenz eine "Demokratie ohne Demos" legitimieren. Ein "Netzwerk von Solidaritätsbeziehungen" werde die überholte "Kollektividentität" der Nation ersetzen. Hurrelmann wendet jedoch ein, daß die "Entsolidarisierung" bedingenden Faktoren solcher Netzwerke unterschätzt würden.

 

Deutsche mit Juden gegen Zwangsrumänisierung

BERLIN. Auf eine eigenartige politische Allianz macht Mariana Hausleitner in einer Studie über Zwangsrumänisierung in der Bukowina aufmerksam (WerkstattGeschichte, 32/02). Über ethnische, soziale und kulturelle Grenze hinweg hätten Deutsche, Juden und Ukrainer kooperiert, um die restriktive Minderheitenpolitik der Bukarester Regierung zu bekämpfen. Der gemeinsame Kampf für die Autonomierechte habe erst nach 1933 ein Ende gefunden, als - auch durch das Versagen des Völkerbundes - sich das ethnisch-exklusive Volksgruppenverständnis herausbildete.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen