© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/03 31. Oktober 2003

Frisch gepresst

Riefenstahls Schwägerin. Auch unbeirrbare Bewunderer der Filmkunst Leni Riefenstahls stellen in der Regel ihre menschlich äußerst unangenehmen Eigenschaften nicht ernstlich in Abrede. Wenn die Erinnerungen ihrer Schwägerin Ilse Collignon nun versprechen, sich den charakteristischen Schattenseiten der Regisseurin zu widmen, vor allem zu zeigen, wie sie als "rücksichtslose Karrieristin" ihre "engen Kontakte zum NS-Regime" nutzte, um "ihren Willen durchzusetzen", dann müßte sie bislang unbekannte Schäbigkeiten ans Licht ziehen. Statt dessen kann die Verfasserin nur mit einem häßlichen Streit um das Sorgerecht der Kinder aus ihrer geschiedenen Ehe mit "Lenis" Bruder aufwarten. Überhaupt ist von der weltberühmten Schwägerin wenig die Rede. Auch die politisch-gesellschaftliche Welt Berlins in den dreißiger Jahren bleibt so blaß wie der Familienhintergrund der Tochter des Berliner Gymnasiallehrers Victor Rehtmeyer, eines "alten Kämpfers", der zu den ersten bürgerlichen NS-Aktivisten Charlottenburgs zählte. In diesem egozentrischen Desinteresse an der Mitwelt zeigt sich Ilse Collignon der ichbesessenen Künstlerin durchaus verwandt ("Liebe Leni,..." Eine Riefenstahl erinnert sich. Langen Müller, München 2003, 255 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro).

Breslau nach 1945. Herbert Hupka, der einstige Vormann der Landsmannschaft Schlesien, hat das Buch des heute in Pittsburgh lehrenden jungen deutschen Osteuropahistorikers Gregor Thum in der FAZ nahezu zerpflückt, während ein polnischer Publizist in der Zeit einen regelrechten Lobgesang anstimmen durfte. Die polnische Seite hat in der Tat allen Grund, mit diesem opulenten Werk zufrieden zu sein. Thum, der so konsequent wie beschönigend von "Aussiedlung" der deutschen Breslauer spricht, beschreibt die polnische "Landnahme" streckenweise in einem fast regierungsamtlichen Warschauer Ton, der sich von allen Regeln wissenschaftlicher Historiographie verabschiedet (Die fremde Stadt. Breslau 1945. Siedler Verlag, Berlin 2003, 640 Seiten, Abbildungen, 29,90 Euro).

Gleiwitz. Der Kölner Schriftsteller Wolfgang Bittner hat das zweisprachig angelegte Porträt seiner oberschlesischen Geburtsstadt derart auf deutsch-polnische Versöhnung weichgezeichnet, daß es sogar für Lesungen an polnischen Hochschulen geeignet ist (Gleiwitz heißt heute Gliwice. Athena Verlag, Oberhausen 2003, 166 Seiten, broschiert, 12,90 Euro).


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