© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/03 31. Oktober 2003

Zeitschriftenkritik: Die Rote Fahnechriftenkritik: Die Rote Fahne
Und ewig lockt der Klassenkampf
Werner Olles

Als Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) erscheint die Rote Fahne im Zeitungsformat einmal monatlich im 85. Jahrgang. Bereits diese Angabe im Impressum macht deutlich, daß man sich nicht nur in der Tradition der von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg 1918 gegründeten Roten Fahne sieht, sondern mit der Wiedergründung 1990 in der damals noch existierenden DDR auch eine Kontinuität betont. Ähnlich ist auch die KPD eine Spätgeburt der sterbenden DDR. Mit all den diversen Roten Fahnen und stalinistisch-maoistischen KPD-Sekten, die in den siebziger und achtziger Jahren in der alten Bundesrepublik wild entschlossen waren, die Arbeiterklasse zum endgültigen Sieg über die Bourgeoisie zu führen, will man jedoch nichts zu tun haben. Dazu nimmt man hier den Klassenkampf - im Gegensatz zu den eher boheme-orientierten ehemaligen westdeutschen Studentenparteien - dann doch zu ernst.

Vom Sektierertum dieser zumeist von Größenwahn und Irrationalismus befallenen Grüppchen, die sich auch untereinander - im Wortsinne - bis aufs Blut bekämpften, ist man jedoch auch hier nicht weit entfernt. So warnt der Leitartikel "Trotzkisten auf gefährlichem Weg" vor dem Wahlbündnis "Europäische Antikapitalistische Linke", das zu den Europa-Wahlen im Juni 2004 antreten will und dem sich offenbar die heftig umworbene DKP anzuschließen gedenkt. Als "fünfte Kolonne des Kapitalismus" dresche dieses "trotzkistische Gesindel" jedoch spalterisch linksradikale Phrasen, "um in der Praxis dem Kapitalismus zu dienen". Da aber "Bewegungen und Vereine keine revolutionäre Kampfpartei ersetzen können", werde man solchen "opportunistischen und trotzkistischen Elementen, die unser Ringen, vor allem auf ideologischem Gebiet noch erschweren" nicht hinterhertrotten. Fürwahr eine ernste und gefährliche Situation für das internationale Proletariat und seine marxistisch-leninistische Vorhut.

Eher erheiternd ist dagegen eine "Erklärung des außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafters der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik, Genossen Pak Hyon Bo" zum 55. Gründungstag der KDVR, die, kommentarlos abgedruckt, durchaus vom prä-kritischen Bewußtsein der RF-Redakteure beseelt zu sein scheint. Gewiß war ein paar Eingeweihten auch schon vorher bekannt, daß Genosse Kim Jong Il "ein weitsichtiger und kluger Politiker und zugleich ein militärisches Genie ist", aber daß "unsere Republik siegreich das Werk zum Aufbau eines starken, prosperierenden und sozialistischen Landes erfüllt, in dem sie unter der einzigartigen Armee-Bevorzugungspolitik des Genossen Kim Jong Il seine Stärke in der Ideologie und im Militärwesen voll und ganz repräsentiert", das sollte doch zumindest auch jenen zu denken geben, die offenbar immer noch glauben, daß in dem "unbesiegbaren sozialistisch starken Land des ruhmreichen Genossen Kim Il Sung" die Versorgungslage der einfachen Bevölkerung nicht ganz so toll ist wie die der Funktionäre und auch sonst wohl einiges im argen liegt.

Rote Fahne. Postfach 600 01 45, 10251 Berlin. Einzelpreis: 1,10 Euro, Jahresabo: 18 Euro


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