© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de 44/03 24. Oktober 2003
 


Frisch gepresst

Willi Sitte. Mit der Angewohnheit vieler Kritiker, Künstler nach ihrer politischen Biographie zu beurteilen, muß auch der frühere Präsident des Künstlerverbandes der DDR, Willi Sitte, kämpfen. Sitte, aus kleinbäuerlichen Milieu im nordböhmischen Kratzau stammend, konnte sich als "Kämpfer gegen den Faschismus" und Kommunist in Halle an der Saale schnell etablieren, wo er die am Kulturbetrieb rege beteiligte Margot Feist, spätere Honecker, kennenlernte. So avancierte der gelernte Musterzeichner in einer Teppichfabrik als Mitglied der kulturschaffenden "Viererbande" um Wolfgang Mattheuer, Bernhard Heisig und Werner Tübke zu einem der führenden Künstler der DDR. In seiner mit Hilfe der Kunsthistorikerin Gisela Schirmer erstellten Autobiographie "Farben und Folgen" geht er auf seinen Widerspruch zum System ein, das ihn zwar nicht direkt in seinem künstlerischen Schaffen einengte, doch durch den Charakter des ewigen Auftraggebers Sittes Stil nicht unbedingt inspirierte. So ist das Bonmot anderer "Kulturschaffender" über Sittes Qualität aussagekräftiger, nach welchem man "lieber vom Tode gezeichnet als von Sitte gemalt" sei, als die Anfeindungen nach der Wende, in denen dem DDR-Befürworter seine politische Kontinuität nicht vergeben werden konnte (Faber & Faber, Leipzig 2003, 406 Seiten, 29,70 Euro).

Atlantiker. Ermutigend für jene Amerikaner, die ihr Schicksal untrennbar mit dem Schicksal Deutschlands verbunden sehen, nennt Henry Kissinger in seinem Vorwort Wolfgang Schäubles außenpolitische Visionen. Dennoch erwartet den Leser ein etwas eingeschränkteres Treuebekenntnis zu den USA, als es die Bekenntnisse des kompromißlosen Atlantikers vor dem Beginn der amerikanischen Irak-Mission erwarten ließen. Etwas blutleer wirken dann auch die Ideen, wie die "westliche Staatengemeinschaft" sich dem Bösen dieser Welt stellen soll. US-Präsident George W. Bush kommt in dieser Konzeptentwicklung komischerweise nur ganz am Rande vor, sein Konzept des "hard power", dessen Sackgasse in Afghanistan und im Irak Schäuble gar nicht mehr bestreitet, wünscht er sekundiert von der vor einem halben Jahr noch so geschmähten "soft power" in Form "internationaler Verantwortung" und stärkerer Einbindung der Vereinten Nationen (Scheitert der Westen? Deutschland und die neue Weltordnung. C. Bertelsmann Verlag, München 2003, 272 Seiten, 21,90 Euro).


 
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