© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de 44/03 24. Oktober 2003
 


Mehr als nur Gedankensplitter
Die Grenzen des Verstehbaren sprengen: Der Publizist Rolf Stolz legt verstreute Texte aus drei Jahrzehnten vor
Werner Olles

Das neue Büchlein von Rolf Stolz versammelt Texte aus dem langen Zeitraum zwischen den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts und der Jetztzeit. Einige davon erschienen bereits in Literaturzeitschriften wie Sterz oder Wendeblätter. Die neueren Stücke, die der Leser gegen Ende des Bandes findet, wiederholen, ergänzen und präzisieren die ursprüngliche Sammlung, zu der Claus Sommerhage ein einleitendes Vorwort geschrieben hat.

Die Texte, der Autor bezeichnet sie im Untertitel als "Aphorismen, philosophische Verstreuungen, Augenmerke", wirken in der Tat anfangs eher wie Gedankensplitter oder essayistische Fundstücke, doch je mehr man sich in sie hineinliest und auf den ungewöhnlichen Stil einläßt, um so tiefer und klarer erscheinen dann die Zusammenhänge. Es sind fragmentarische Erkenntnisse, stilistisch diszipliniert, die selbst in ihren Brüchen keinerlei literarischen Modeströmungen erliegen.

In ihrer Thematik kreisen sie unter anderem um die göttliche Harmonie, die letztlich auch der chaotischen fehlerhaften Welt zugrunde liegt, und erzählen von den menschlichen Grunderfahrungen Liebe, Einsamkeit, Alltagsfluchten, Tod, der Verlassenheit des modernen Menschen und seinem Unvermögen, auf den Mitmenschen einzugehen und die Individualität im genormten Leben zu bewahren. Diese Tragik weiß Stolz künstlerisch überzeugend zu gestalten.

Dabei huldigt der Autor weder einem radikalen Pessimismus, noch stellen seine Texte Dokumente der Hoffnungslosigkeit und/oder des absoluten Nihilismus dar. Hingegen greift er Bilder und Themen, Metaphern und Sprache auf, die in den moralischen Überzeugungen und philosophischen Begründungen einer frühromantischen Ästhetik und den Gattungsbedingungen des Fragments ihre artifiziellen Wurzeln haben. Daß manches die Grenzen des Verstehbaren sprengt, lockert das Erzählgefüge jedoch eher auf und trägt mit seinem Formenreichtum zur realistischen und stimmungsvollen Wirkung der dargestellten Episoden, Assoziationen, Kommentare und Reflexionen bei.


 
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