© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de 43/03 17. Oktober 2003
 


Frisch gepresst

Pommern 1945. In Hinterpommern schlug im Februar 1945 bekanntlich die "Stunde der Frauen". Man erinnert sich an Syberbergs Stilisierung des Besuchs der Gräfin Dönhoff, die auf ihrer Flucht bei Bismarcks Schwiegertochter in Varzin einkehrt, als diese bereits im Garten ihr Grab ausheben läßt. Vom Schicksal derer, die sich nicht für die Giftkapsel entschieden, wissen wir nicht erst seit Christian Graf Krockows Nacherzählung grausiger Berichte seiner Schwester Libussa. Weniger persönlich, eher als Gesamttableau der Wochen, als Pommerland abbrannte, ist hingegen Helmut Lindenblatts Dokumentation gedacht, die Pommerns Eroberung durch die Rote Armee minutiös nachzeichnet. Das Werk erschien vor fünfzehn Jahren im Rautenberg Verlag und hat jetzt, mitten in der Diskussion um das Zentrum gegen Vertreibung, eine verdiente Neuauflage erfahren. Lindenblatt geht chronologisch, nüchtern generalstabmäßig vor, schildert das tägliche Vorankommen der Russen, bedenkt das Schicksal der meisten Landkreise und erfaßt noch den Kampf um kleinste Dörfer (Pommern 1945. Eines der letzten Kapitel in der Geschichte vom Untergang des Dritten Reiches. Flechsig Verlag, Würzburg 2003, 402 Seiten, Abbildungen, 14,95 Euro).

Preußischer Olymp. Der Titel "Die Mentalität des ewigen Deutschen" klingt doch unangenehm nach Anbiederung an die vom großen Geschichtsdenker Joschka Fischer herumgereichten Thesen über ihm lästige Landsleute. In der Erstauflage versteckte der einstige DDR-Germanist Werner Mittenzwei diesen "ewigen Deutschen" auch lieber im Untertitel seines Werkes über die Sektion Dichtkunst der Preußische Akademie der Künste. Was er zu schildern beabsichtigt, ist die sich dort vor 1933 abzeichnende "Machtergreifung" der "nationalkonservativen Opposition", an ihrer Spitze Erwin Guido Kolbenheyer. Mittenzweis Vorteil gegenüber älteren Arbeiten ergibt sich aus der breiteren Quellenbasis. Er konnte den Nachlaß des Balladendichters Börries von Münchhausen (1874 bis 1945), eines kulturpolitisch umtriebigen "Netzwerkers" auswerten, um zum ideologiekritischen Gruppenporträt mit Damen (Ina Seidel, Agnes Miegel) vorzustoßen (Nationalkonservative Dichter 1918-1947 und der Untergang einer Akademie. Faber & Faber, Berlin 2003, 580 Seiten, 29,70 Euro).


 
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