© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de 43/03 17. Oktober 2003
 


Nur Tiere machen keine Schulden
Der Geigenvirtuose André Rieu kämpft wie ein Löwe gegen den Verdacht, er sei vollkommen pleite
Richard Stoltz

Schuldenmachen, heißt es bei Heinrich Heine, gehört wie Vaterlandsliebe oder Religion zu den auffälligsten Merkmalen der Menschheit. "Tiere machen keine Schulden." Deshalb fragen sich zur Zeit viele, warum der holländische Walzerkönig und Liebling der Mütter André Rieu (54) wie ein Löwe gegen die sich häufenden Medienberichte ankämpft, er oder seine Compagnie oder beide seien hochverschuldet. Einige sprechen von 25 Millionen, andere von 75 Millionen. "Alles total lächerlich", wettert André Rieu voller Zorn.

Was erhofft er sich davon? Alle machen doch Schulden, stecken tief in den roten Zahlen und steckten auch schon früher drin: Mozart, Richard Wagner, Johann Strauß, ganze Philharmonien, die meisten Staaten, nicht zuletzt auch viele der Medien, die zur Zeit so süffisant über Rieus (angebliche) Schulden berichten. Außerdem ist es ganz vergeblich, über eigene Schulden zu reden, seien es nun wirkliche oder angebliche. "Wer Schulden hat, der muß auch lügen", wußte schon Herodot.

Rieu muß sich hüten, mit seinen Schuldengeschichten nicht ausgerechnet seine treuesten Anhängerinnen zu verstören, die Liebhaberinnen einschmeichelnder Geigenklänge. "Wenn wirklich Schulden, wo kommen sie dann her?" fragen die. "Am Geigen kann es nicht liegen, alle Rieu-Konzerte sind ausverkauft. Hat André etwa noch andere Leidenschaften als die Violine? Er muß nur ordentlich geigen und geigen, dann rollt schon der Euro."

Aber vielleicht wollte der zornige Geiger mit seinen "Schulden", respektive mit seiner Dagegenrederei nur ein Memento aufrichten gegen die allgemeine Schuldenmacherei. Denn diese muß ja irgendwann und letzten Endes doch zu bösen Häusern führen. Auch Heine hat das so gesehen. "Schulden unterscheiden uns vom Tier, aber", fährt er in seinen "Reisebildern" fort, "sie sind - genau betrachtet - kein Vorzug, sondern eine Qual."


 
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