© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/03 10. Oktober 2003

 
Meldungen

Luftkrieg: Eigendynamik vertikaler Massaker

HAMBURG. Ein distanziertes Verhältnis zu "den Deutschen" ist im Hause Reemtsma offenbar Einstellungsvoraussetzung - was Klaus Naumann, Mitarbeiter an des Multimillionärs Institut für Sozialforschung, in einem Essay zu Jörg Friedrichs "Der Brand" sogleich mit der frechen Unterschlagung einer halben Millione Toten dokumentiert, wenngleich er dem angelsächsischen Bombenterror rücksichtsvoll nur "Zehntausende von Zivilopfern" anrechnet (Mittelweg 4/03). Aber vielleicht ist eine derartige Gleichgültigkeit gegenüber historischer Faktizität allein den seit über einem Jahrzehnt im Institut gepflegten "Gewalt-" und "Herrschafts"-Spekulationen geschuldet, die die notorische Geschichsferne der 68er-Genration ebenso perpetuieren wie deren verquastes Soziologendeutsch. Naumann muß sich darum von Friedrichs "irritierender Deutungsoffenheit" so verunsichert fühlen wie von einer winzigen sprachlichen Anleihe bei Carl Schmitt, der den Völkermord aus der Luft als "vertikales Massaker" bezeichnete. Immerhin scheine Friedrichs Epos mit seiner Fixierung auf die "Eigendynamik" des "Massakers" die aus Hamburger Sicht ganz unerwünschte "Wiederaneignung der deutschen Opferhaltung zu unterlaufen". Ob eine solche Deutung dominieren wird, ist ab November im Internet zu verfolgen: Dann steht ein Diskussionsforum über Friedrichs Buch zur Verfügung (h-german@h-net.msu.edu).

 

Strauß: Vordenker der "linken Mitte"

TRIER. Zur "Rhetorik der Rechten", genauer zur "konservativen Kulturkritik" in Botho Strauß' "Anschwellender Bocksgesang" von 1993, möchte Martin Tauss Aufklärendes beitragen (Wirkendes Wort, 2/03) - angesichts Dutzender, meist scharf verurteilender Reaktionen eigentlich ein Unterfangen, von dem wenig Originelles zu erwarten ist. Allein den Hinweis auf die bislang noch nie so kräftig akzentuierte Nähe Strauß' zu dem Mythenforscher und Religionswissenschaftler Mircea Eliade mag man Tauss als rezeptionsgeschichtliche Kleinstentdeckung zubilligen. Ansonsten landet auch er wieder bei den Ladenhüter-Etiketten vom "antimodernen Impetus" des Strauß-Textes, der einem "kruden Essentialismus" huldige, "diffusen antiwestlichen Impulsen" gehorche und "Distanzlosigkeit" zur "Konservativen Revolution" offenbare. Bedenkenswert ist jedoch Tauss' Hinweis auf die ideologische Langzeitwirkung des "Bocksgesangs". Dieser "Polit-Essay" habe zwar zunächst als "Einfallschneise" für eine neonationale Publizistik gedient, die bald nach 1989 deutsche Geschichte schon wieder "vordachte". Rückblickend erscheine der Text als Wegweiser für die "linke Mitte", die 1998 begonnen habe, "den rechten Traum der vom Schuldbewußtsein entlasteten, selbstbewußten Nation allmählich zu verwirklichen".

 

Die Fische in der Nordsee werden immer kleiner

IJMUIDEN. Die Fische in der Nordsee werden im Durchschnitt immer kleiner. Mögliche Gründe sind, daß kleine Tiere den Schleppnetzen der Fischereiflotten besser entkommen oder daß sich kleinere Fischarten aus wärmeren Meeren angesiedelt haben, da die Umweltbedingungen der sich erwärmenden Nordsee ihrem ursprünglichen Lebensraum entsprechen. Wie das Wissenschaftsmagazin Nature in seiner aktuellen Online-Ausgabe berichtet, hat der Ökologe Niels Daan dieses Ergebnis am niederländischen Institut für Fischerei-Forschung in Ijmuiden anhand von Fangdaten der vergangenen 30 Jahre ausgewertet.

 

Erste Sätze

Bei uns verkehrten Leute sehr verschiedener Art.

Ludwig Renn: Adel im Untergang, Berlin1946.