© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/03 10. Oktober 2003

 
Verlagskonzentration
Heute hier, morgen dort
Dieter Stein

Noch scheint sie in Berlin abgewendet, die große Fusion der Hauptstadt-Blätter Tagesspiegel und Berliner Zeitung unter dem Dach der Holtzbrinck-Gruppe. Eine Ministererlaubnis zur Genehmigung des Kaufs der Berliner Zeitung durch den Stuttgarter Verlagsriesen war nicht ergangen, daraufhin verkaufte Holtzbrinck den Tagespiegel an einen seiner Top-Verlagsmanager namens Pierre Gerckens, um die Berliner Zeitung behalten zu können. Daß es sich bei dem Verkauf an Gerckens um ein Strohmann-Geschäft handelt, behaupten nicht nur böse Zungen.

Nicht erst seit dem anrüchigen Verkauf des Tagesspiegel ähnelt die Welt der Verlage immer mehr einer Kulissenschieberei. Soeben hat beispielsweise Randomhouse (Bertelsmann) beschlossen, den renommierten preußischen Siedler Verlag von Berlin ins bayerische München umzutopfen. Branchen-Kenner zucken da nur noch mit den Schultern. Verlagsnamen sind nichts mehr als Plastikkarten, die sich angemietete Hostessen auf der Frankfurter Buchmesse an die Bluse heften, um virtuelle Verlage zu repräsentieren. Kaufleute sammeln die Labels mit den dazugehörigen Urheberrechten an "Backlist"-Titeln ein und fügen ihrer Firmenrepräsentanz das soundsovielste Klingelschild hinzu. So errichtet man dem Leser Potemkinsche Dörfer: Er wird an bunten Fassaden vorbeigeführt, er darf sich an der "Vielfalt" einer Verlagslandschaft erfreuen, hinter der sich jedoch in Wahrheit nur noch ein Dutzend Giganten verbergen, die nahezu alles aufgefressen haben.

Alles? Selbstverständlich nicht alles. Hartnäckig leisten kleine, immer wieder qualitätvolle Verlage Widerstand - und es kommen auch noch junge, neue hinzu. Sie sind aber immer den Vertriebswegen, den Händlernetzen der Branchenriesen ausgeliefert und angewiesen auf die Gunst von Zeitungen, Zeitschriften und Sendern, die wiederum den gleichen Konzernen gehören.

Gesteigert wird diese megalomanische Einebnung noch dadurch, daß die wirtschaftlich konkurrierenden Häuser sich obendrein inhaltlich immer weiter annähern. Redaktionen überregionaler meinungsbildender Blätter ähneln personellen Verschiebebahnhöfen, auf denen ununterbrochenes Kommen und Gehen herrscht. Welche Zeitung besitzt denn noch eine weltanschauliche Identität, die sich an Personen - Chefredakteuren, Herausgebern, Ressortleitern, Kolumnisten - festmachen ließe? Die Devise lautet: Gestern noch bei der Süddeutschen, heute bei der FAZ, morgen bei der Welt, übermorgen beim Stern.

Das Konzept des Springer-Verlages, die Tageszeitungen Berliner Morgenpost und Die Welt von ein und derselben Redaktion produzieren zu lassen, ist Ausdruck dieser geistigen Kapitulation. Daß die zum Regierungsblatt mutierte, ehemals links-oppositionelle Berliner taz, bekannt für provokative Schlagzeilen und witzige Titelseiten, zum 25. Geburtstag die Jubiläumsausgabe vom Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zusammen mit TV-Pfarrer Fliege machen ließ, war nur einen Augenblick saukomisch, dann nur noch makabre Dokumentation der totalen medialen Angleichung.