© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/03 19. September 2003

 
"In sich zu Hause"
Trauerfeier: Zur Beisetzung Leni Riefenstahls kamen hauptsächlich Filmfreunde, aber auch Scharen von Medienvertretern
Hagen Weimar

Auch Totgesagte, die länger leben, müssen einmal sterben. Das Leben setzt sich als Frist. Wie ein Mensch sie nutzt, hängt an seiner Begabung und den Zeitumständen. Dafür ist Leni Riefenstahl ein markantes Beispiel. Ihr Talent ließ sie Höchstes erschaffen, der Zeitgeist beförderte anfänglich und verhinderte später überwiegend. Das machte die Tragik ihres Lebens aus.

Mindestens 500 Menschen kamen vergangenen Freitag zur Trauerfeier auf dem Münchner Ostfriedhof, wenige Prominente, überwiegend einfache Filmfreunde, aber auch Scharen von Reportern und Fotografen. Letztere prägten durch penetrante Präsenz den Trauerakt. Reinhold Messner hatte die Teilnahme aus Termingründen abgesagt. Auch die Riefenstahl-Freundin Uschi Glas war ferngeblieben. Zugegen waren der Lebensgefährte Horst Kettner, Kameramann zahlreicher Afrikafahrten, der Prominentenarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der Medienunternehmer Leo Kirch sowie der ehemalige Präsident des Goethe-Institutes Hilmar Hoffmann.

Vor dem Eingang bildete sich eine Schlange zum Eintrag in das Kondolenzbuch. Dann begann der Trauerakt in der historistischen Aussegnungshalle. Trotz ihrer Geräumigkeit waren nicht alle Trauernde unterzubringen. Die meisten mußten stehen, auch in den Seitenschiffen wurde es eng.

Vor dem mit Rosen und blauem Rittersporn übersäten Sarg, den etwa 40 Kränze und Gebinde umgaben, hielt Antje-Katrin Kühnemann, Moderatorin des Bayerischen Rundfunks und Fernsehärztin, die Trauerrede. Als enge Freundin der Verstorbenen verneinte sie den Anwurf, die Regisseurin hätte "kalte Augen" gehabt, vielmehr war sie ihr nur als warmherziger Mensch in Erinnerung verblieben. Ihr Handeln sei stets von ihrem starken Willen bestimmt gewesen. Bei allem Rummel, der sich um sie drehte, war sie bescheiden geblieben. "Ich soll eine sein, die das Jahrhundert geprägt hat?" soll sie einmal erstaunt gefragt haben. Lebenslang war sie für ihre Weigerung einer Entschuldigung für ihre Filme mit dem Vorwurf der Sturheit und Unbelehrbarkeit verfolgt worden. "Man kann aber auch sagen, da ist sich jemand treu geblieben", denn Leni "war in sich zu Hause." In einer sehr kurzen Ansprache wies Steffen Kuchenreuther, Chef der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft, jegliche Verteufelungen der Verstorbenen zurück.

Musikalisch begleitet wurde die Zeremonie von Melodien aus Riefenstahls Filmen "Impressionen unter Wasser" und "Tiefland". Ein Kammerorchester spielte darauf die Arie "Oh du mein holder Abendstern" aus Richard Wagners "Tannhäuser".

Nach dem Ende des Traueraktes begann dann das Geblitze der Fotografen, die alle ein gutes Bild von der Aufbahrung erhaschen wollten. Als der sichtlich bewegte Horst Kettner die Aussegnungshalle durch einen Seitenausgang verließ, stand er augenblicklich in einem exekutionsartigen Blitzgewitter. Die Medienwelt forderte ihren Tribut und verfolgte den genervt Fliehenden ohne Rücksicht auf dessen Gemütszustand. Die Würde des Menschen ist wohl unantastbar, aber nicht unfotografierbar. Traurig war, die gesamte Trauerfeier von einer hektischen Schar von Fotografen und Medienleuten beherrscht zu sehen, der jede Dezenz abging. Hier spiegelte sich ein Symptom unserer Zeit, in der die Wirklichkeit von der Konstruktion überlagert wird. Dieser Schein wird dann als Information gereicht. So werden Menschen in eine Form gebracht, die nicht zwingend mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Kunst entsteht dabei nicht.

Am Montag wurde der Leichnam Leni Riefenstahls eingeäschert. Der Beisetzungsort ist noch unbekannt.

Trauerfeier für Leni Riefenstahl am 12. September 2003: Das Bild neben dem Sarg in der Aussegnungshalle des Münchner Ostfriedhofs zeigt die am vorvergangenen Montag im Alter von 101 Jahren verstorbene Filmregisseurin und Fotografin als junges Mädchen.

Trauerrednerin Antje-Katrin Kühnemann, Fotografen: Die Medienwelt fordert ihren Tribut


 
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