© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/03 12. September 2003

 
Gegen das Vergessen
Flucht und Vertreibung: DVD für den Schulunterricht
Ronald Gläser

Im Bundespresseamt hat die Präsidentin des Bundes des Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, letzten Freitag die DVD "Die große Flucht" vorgestellt. Mit der Multimedia-Präsentation soll in deutschen Klassenzimmern die Vertreibung thematisiert werden. Die DVD sei eine "unverzichtbare Hilfe für die Information der jungen Generation über das Schicksal von Millionen Deutschen", sagte Frau Steinbach.

Erstellt wurde die DVD von der Softwarefirma United Soft Media aus München. Deren Geschäftsführer sprach von einem "zeitgeschichtlichen Tabuthema", das ins "Gedächtnis zurückgerufen" werden müsse. Die DVD erscheint Mitte September auf dem Markt und kostet 70 Euro.

Die Idee dazu wurde vor einem Jahr geboren. Damals wurde in Bayern ein Schülerwettbewerb unter dem Motto "In Bayern angekommen" veranstaltet. Die Ergebnisse flossen in die Gestaltung der Präsentation mit ein. Die anderen beiden Hauptquellen sind eine Dokumentation des früheren Ministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte sowie die ZDF-Fernsehsendungen von Guido Knopp. Für die einmalige achtbändige wissenschaftliche Abhandlung mußte der BdV beim jetzt zuständigen Beauftragten für Kultur und Medien die Rechte abtrotzen.

Inhaltlich ist die DVD in vier Bereiche gegliedert: Flucht und Vertreibung, Hintergrund, Integration und ein Archiv, das 10.000 Seiten umfaßt. Neben Texten, auf die der Nutzer zugreifen kann, können einhundert Videosequenzen abgespielt werden. Besonders anschaulich ist das umfangreiche Kartenmaterial. Die DVD ist interaktiv gestaltet, so kann der Nutzer beispielsweise die deutschen Siedlungsräume in Ostmitteleuropa einzeln anklicken und dadurch zusätzliche Informationen abrufen.

Da die Videosequenzen vor allem Guido Knopps Fernsehbeiträgen entnommen sind, stößt der Anwender allerdings auf so manche Halbwahrheit. So berichtet ein angeblicher Wehrmachtsangehöriger, in Nemmersdorf habe es keine Greueltaten sowjetischer Soldaten gegeben. Dabei ist jedem, der mit der Materie vertraut ist, bekannt, daß sogar eine unabhängige Expertenkommission 1944 das Massaker in der ostpreußischen Stadt untersucht hat. Andererseits findet auch die Standardlektüre wie Heinz Nawratils "Vertreibungsverbrechen an Deutschen" Eingang in die Dokumentation.

Zeitlich wird der Bogen von der Besiedlung durch Deutsche bis hin zu den Vertreibungen im Kosovo 1999 gespannt. Auch die Integration der zwölf Millionen Flüchtlinge in West- und Mitteldeutschland nach dem Krieg wird ausführlich behandelt. Viele Angehörige der Erlebnisgeneration kommen zu Wort.

Einen Abnehmer hat die Münchner Firma bereits: Die bayerische Staatsregierung hat sämtliche Schulen mit der DVD versorgen lassen. 


 
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