© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/03 05. September 2003

 
Dürftige Konstrukte statt der Wahrheit
Matthias Bröckers auf den Spuren der wahren Hintermänner des 11. September / Deren Geständnisse kann Yosri Foudam schon heute präsentieren
Werner Olles

Nach "Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die unterdrückten Beweise des 11. 9." legt Mathias Bröckers mit "Fakten, Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11. 9." nun sein zweites Buch über das "9/11-Rätsel" vor. Nach eigenem Bekunden hat er dafür den Mantel des "Konspirologen" an den Nagel gehängt, um gemeinsam mit seinem Co-Autor Andreas Hauß nunmehr die Haltung des "Dokumentaristen" einzunehmen. Es geht ihm dabei "um eine Dokumentation der gesicherten Ungereimtheiten, bevor diese von den Medien mit neuen Legendenbildungen verkleistert werden". Offenbarungen darüber, "was wirklich geschah", oder Verschwörungstheorien wie "die Legende von Osama und den 19 Räubern" dürfe der Leser nicht erwarten. Allerdings könne man soviel sagen, daß "die bis heute präsentierte 'Wahrheit' nichts anderes ist als ein dürftiges Konstrukt".

Die Wahrheit kennen jedoch auch die beiden Autoren nicht, wie sie selbst eingestehen. Dafür stellen sie Fragen und dokumentieren "neue, bestürzende Fakten". Tatsächlich sind die wenigsten davon wirklich neu, die meisten sind auch schon woanders einmal aufgetaucht, und wer gar das Internet bemüht, der bekommt noch ganz andere "bestürzende Fakten" um die Ohren gehauen. Das ist alles sicher ebenso spannend wie im Detail verwirrend, aber die wirklich interessanten Fragen, die die unglaublichen Fehler und Versäumnisse der insgesamt dreizehn US-Nachrichtendienste und des FBI betreffen, werden leider erst gar nicht gestellt. Auch die Blockade-Politik des Weißen Hauses, wenn es um Dokumente und Informationen über geplante Terroranschläge von al-Qaida in den Vereinigten Staaten, die seit 1998 vorlagen, vor allem aber um die Rolle einiger ausländischer Regierungen, speziell Saudi-Arabiens, im Zusammenhang mit dem 11. September geht, wird nicht oder höchstens ganz am Rande thematisiert.

Statt diese mangelnde Kooperation der Bush-Regierung einmal genauer zu durchleuchten, konstruiert man sich anhand akribischer Internet-Recherchen lieber eine unbewiesene Verschwörung zurecht und jongliert mit angeblichen "Fakten", deren Spuren natürlich allesamt "ins Zentrum der Macht, die jetzt angetreten ist, die Welt vom Terror zu befreien, weisen: Geheimdienste und Militärs der USA". Daß die Argumentation der Autoren dabei zuweilen ins Trudeln gerät, ist nicht verwunderlich. So werden die Machthaber und ihre Dienste einmal als ausgemachte Volltrottel und ein anderes Mal als gewiefte Strategen dargestellt. Sehr überzeugend sind derartige "Beweise" nicht und zudem methodisch mehr als problematisch. Da aber auch hierzulande Verschwörungstheorien, und seien sie noch so abenteuerlich und absurd, zunehmend goutiert werden - Bröckers' erstes Buch zum Thema verkaufte sich über 150.000mal -, muß man sich um die Verbreitung der Fortsetzung wohl keine großen Sorgen machen.

Einen ganz anderen Weg als Bröckers, von Bülow, Meyssan, Ahmed und Wisnewski gehen Nick Fielding, Chefreporter der Sunday Times, und Yosri Fouda, Chefkorrespondent des arabischen Fernsehsenders al-Dschasira. Den üppig ins Kraut schießenden Verschwörungstheorien zum Trotz, die US-Regierung habe die Anschläge selbst inszeniert, um einen Grund für ihren Kreuzzug gegen die muslimische Welt zu liefern, begab sich Fouda im September 2002 in die Höhle des Löwen.

Im heißen Karatschi in Süd-Pakistan traf er mit den beiden Männern zusammen, die voller Stolz von sich behaupten, die wahren Drahtzieher des verheerenden Terroranschlag zu sein. 48 Stunden sprach er mit Khalid Sheikh Mohammed, dem Vorsitzenden des militärischen Komitees von al-Qaida, und seinem getreuen Koordinator Ramzi Binalshibh. Fouda aß und betete mit ihnen und erfuhr schließlich in diesem weltweit einzigen Interview mit den maßgeblichen Hintermännern und Hauptdrahtziehern des 11. September ebenso spannende wie erstaunliche Einzelheiten über die Vorbereitung der Flugzeugentführungen und die Kommunikation zwischen der pakistanischen Zentrale des Terrors und den Männern um die Todespiloten Mohammed Atta, Ziad al-Jarrah, Marwan al-Shehi und Hani Hanjour.

Die Details über die Planung der Anschläge, die Methoden der Entführer und ihre ideologische Schulung veranlaßten die Autoren zu weitergehenden Recherchen über die persönlichen Hintergründe der Hauptbeteiligten. So erfährt der Leser exklusiv, was 19 junge Männer getrieben hat, für ihre Religion zu sterben und gleichzeitig das Leben von fast 3.000 Menschen auszulöschen. Man liest, wie al-Qaida in den ausgetrockneten Ebenen und rauhen Bergen Afghanistans gedeihen konnte und wie ihre Botschaft von Tausenden Rekruten in der ganzen islamischen Welt begierig aufgenommen wurde. Von den pakistanischen Brutstätten des Terrors und den Ausbildungslagern für islamische Extremisten, in denen Jugendliche mit terroristischen Vorstellungen infiziert werden, führt eine heiße Spur nach Saudi-Arabien und schließlich ins Innerste jenes Netzwerks islamisch-fundamentalistischer Gruppen und ihrer Dachorganisation al-Qaida.

Natürlich stützen sich die Autoren dabei nicht allein auf die Hinweise der "Masterminds of Terror", sondern auch auf die ihnen zugänglichen Quellen involvierter Nachrichtendienste. Doch gerade hier wird deutlich, daß es wohl tatsächlich nahezu unmöglich war, derartig dezentral organisierte Gruppen zu unterwandern. Um so wichtiger sind dann auch die persönlichen Gespräche Foudas mit den beiden führenden Köpfen, die auf seine Frage "Habt ihr es getan?" ohne zu zögern antworten: "Ja. Wir waren es."

Das Geständnis und die folgende minutiöse Schilderung der Planung und Organisation der vier Angriffe auf das WTC, das Pentagon und das Kapitol, aber auch die Liste all jener Fehler und Versäumnisse, die die Anschläge ermöglichten, liest man mit stockendem Atem. Eine Stellungnahme al-Qaidas zu den Erklärungen amerikanischer und saudiarabischer Wissenschaftler ("Wofür wir kämpfen: Ein Brief aus Amerika", "Wie wir miteinander koexistieren können" und "Können wir koexistieren?") beschließt das Buch.

Matthias Bröckers/ Andreas Hauß: Fakten, Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9.. Zweitausendeins, Frankfurt 2003, 323 Seiten und 1 Video-CD, 14,90 Euro

Nick Fielding/ Yosri Fouda: Masterminds of Terror. Die Drahtzieher der 11. September berichten. Der Insider-Report von al-Qaida. Europa Verlag, Hamburg 2003, 255 Seiten, 14,90 Euro


 
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