© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/03 05. September 2003

 
Schmierentheater ohne Ende
Schill-Partei I: Die parteiinternen Auseinandersetzungen gehen weiter / Schills eventuelle Rückkehr ins Richteramt von seinen Amtskollegen unerwünscht
Peter Freitag

Vor der Wahl des designierten Schill-Nachfolgers als Hamburger Innensenator, Dirk Nockemann, lagen die Nerven der Verantwortlichen in der bürgerlichen Koalition der Hansestadt offenbar blank.

Das Schicksal des von Ole von Beust (CDU) geführten Senats hing am seidenen Faden einer nur drei Stimmen ausmachenden Mehrheit. Würde diese nicht zugunsten Nockemanns erreicht, stünde der Senat aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Aus.

Die Fraktionsvorsitzenden bemühten sich sichtlich darum, ihre Leute hinter sich und damit hinter Nockemann zu bringen. Doch in einer Probeabstimmung innerhalb der Fraktion der Partei Rechtsstaatlicher Offensive fehlte eine Stimme. Nicht nur Fraktionschef Norbert Frühauf, sondern auch Bausenator Mario Mettbach - mittlerweile Zweiter Bürgermeister - sowie die Chefs der anderen Fraktionen ( Michael Freytag, CDU, und Burkhardt Müller-Sönkksen, FDP) fürchten die Rache unzufriedener Schill-Getreuer unter den 24 Abgeordneten dieser Fraktion.

In banger Erinnerung ist auch noch die Tatsache, daß Ole von Beust seinerzeit bei der Wahl zum Ersten Bürgermeister zwei Stimmen der eigenen Koalition fehlten. Trotz der nach außen zur Schau getragenen optimistischen Stimmung sorgte man sich außerdem um die von Schill angekündigte "Bombe", die der Geschaßte noch vor der Wahl zum Platzen bringen wollte. Mettbach versicherte dagegen, er habe von Schill nunmehr die Versicherung erhalten, die Koalition nicht weiter zu torpedieren.

Dessenungeachtet kursierten weiter Gerüchte, Schill könne - um nicht als Lügner dazustehen - doch wie auch immer geartete Beweismittel über ein Verhältnis zwischen Beust und Justizsenator Roger Kusch an die Öffentlichkeit bringen. Schill selbst schwieg sich zu alledem bisher genauso aus wie über seine eigene Zukunft und die Frage, ob er sein Bürgerschaftsmandat aufnehmen wolle oder nicht.

Dabei scheint der Druck auf ihn aus den eigenen Reihen, sich ganz aus der Politik zurückzuziehen und auf absehbare Zeit keine Verantwortung mehr in der Partei zu übernehmen, erhöht worden zu sein. Sollte Schill, so hieß es, wiederum Tabus verletzen, drohe ihm der Ausschluß aus der Fraktion und eine Verweigerung der Zahlung des Übergangsgeldes; ja, es tauchten unter Abgeordneten der Rechtsstaatlichen Offensive sogar Forderungen in der Öffentlichkeit auf, der Gründer solle seine Partei verlassen.

Falls der ehemalige Amtsrichter plant, in den Justizdienst zurückzukehren, wäre die Wiederaufnahme des Abgeordnetenmandats (selbst für kurze Zeit) für ihn jedoch von entscheidendem Vorteil: Denn dann ist seine Rückkehr als Richter nur eine Formalie. Als entlassener Senator jedoch müßte er um Wiederaufnahme in den Richterdienst ausgerechnet die Justizbehörde ersuchen; dort hinge in diesem Falle alles an einer Ermessensentscheidung des Senators Roger Kusch. Auf diesen übt mittlerweile bereits die Richterschaft der Hansestadt öffentlich Druck aus. Die will den schon damals ungeliebten Kollegen auf keinen Fall wieder in den eigenen Reihen wissen. Jemand, der wegen charakterlicher Schwächen als Senator entlassen worden sei, so argumentiert man von dieser Seite, könne unmöglich wieder ein Richteramt ausüben.

Der Bruch zwischen Schill und seinem ehemaligen Büroleiter und designierten Nachfolger Nockemann, der schon nach Schills sogenannter "Skandalrede" während der Flutopfer-Debatte im Deutschen Bundestag (für die ihn Nockemann harsch kritisiert hatte) spürbar geworden sei, ist unterdessen wohl endgültig vollzogen. Während Schill in einer hitzigen Debatte auf einer Sitzung der Partei Nockemann als einen "Brutus" bezeichnet hatte, der ihn verraten und verkauft habe, meinte der so Titulierte, sein ehemaliger Chef leide an einem "Wahrnehmungsdefizit" und legte in derWelt weiter nach: "Das Schlimme aber ist, daß er beginnt, das zu glauben, was er da erzählt."

Schill erhob gegen Nockemann den Vorwurf, dieser sei von Beust in seine bevorstehende Entlassung eingeweiht worden und habe diesem Vorgehen zugestimmt. Außerdem habe er die Entlassung des Staatsrates Wellinghausen gemeinsam mit Beust betrieben, die Schill verhindern wollte. Nockemann äußerte mit Blick auf die dominante Rolle Wellinghausens in der Behörde einerseits und die Veränderungen nach dem Wechsel an der Spitze andererseits schon vorletzte Woche in einem Interview: "Der Staatsrat wird hier nur nach innen wirken. Die Zeiten, daß ein Staatsrat auch politisch nach außen wirkt, sind vorbei."

Im Hamburger Landesverband stehen unterdessen im kommenden Herbst Vorstandswahlen an. Bis dahin ist zunächst noch Schill Vorsitzender und Nockemann sein Stellvertreter. Ob dies trotz des angespannten Nicht-Verhältnisses zwischen den beiden bis zur Neuwahl so bleibt, ist ungewiß.


 
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