© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/03 05. September 2003

 
Wallraff, Gremliza und der Springer-Verlag
Literarischer Müll, politische Pleite
Andreas Wild

Aufsehen hat der Chefredakteur der Berliner Tageszeitung Die Welt, Jan-Eric Peters, mit einem Interview erregt, das er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gab. Peters' zum Springer-Konzern gehöriges Blatt hatte neue, durch die Sichtung der sogenannten "Rosenholz-Kartei" erkennbare Fakten über die frühere Stasi-Verbindung des "Schriftstellers" Günter Wallraff veröffentlicht und war dafür von Wallraff mit Gegendarstellung und aggressiver Polemik überzogen worden. In dem Interview verteidigte nun Peters die Veröffentlichung, fügte dann aber voller Beflissenheit hinzu: "Günter Wallraff hat Verdienste, keine Frage, und er hat auch im Haus Axel Springer etwas verändert."

Was genau Wallraff bei Springer verändert hat, teilte Peters freilich nicht mit. Das Buch, auf das er sich bezog und das sich mit angeblichen Zuständen in Springers Bild-Zeitung befaßt, "Der Aufmacher" (Auflage circa eine Million Exemplare), hat bekanntlich nicht Wallraff, sondern Hermann L. Gremliza, Herausgeber der kommunistischen Zeitschrift Konkret, geschrieben, und zwar von der ersten bis zur letzten Zeile. Peters' Dank, wenn er denn schon fällig ist, müßte also nicht an Wallraff, sondern an Gremliza gehen.

Wallraff hat - abgesehen von einigen ganz frühen Fingerübungen als "schreibender Arbeiter", die niemanden interessierten - nie etwas Selbständiges geschrieben. Alle die antikapitalistischen "Enthüllungsbücher", für die er Tantiemen kassierte und die ihn berühmt machten, sind von anderen geschrieben worden, außer von Gremliza unter anderem von dem Stern-Reporter Kai Hermann, von Uwe Herzog sowie den türkischen Journalisten Levent Sinirlioglu und Taner Aday.

Zur Buchmesse 1987 kam alles heraus, als die diversen Autoren endlich einmal Geld von Wallraff sehen wollten und dieser sich hartnäckig die Taschen zuhielt. Wallraff war genau der Typ, den er in "seinen" Enthüllungsreportagen immer anprangerte: der miese Kapitalist, der andere für sich arbeiten läßt und ihnen den Lohn vorenthält. "Der Mann hat noch nie vor einem bedrohlich leeren Blatt Papier gesessen", schrieb damals wütend Kai Hermann.

Die Stasi-Connection des Wallraff paßt dazu wie die Faust aufs Auge. Dieser "Schriftsteller" war Erzkapitalist und Stasi-Agent in einem, und die Agitationsschnulzen, die unter seinem Namen unter die Leute kamen, waren das Papier nicht wert, auf das sie gedruckt waren, lebten einzig von der "Sensation", d. h. von den Lügen und Hetzereien, die damals vom Zeitgeist gefragt waren.

Gremliza, der immerhin etwas von Stil versteht, hat die Qualität der Wallraff-Bücher schon vor längerem (mit schöner Selbstkritik) hinreichend qualifiziert: es sei "Sprache, die auf dem Strich geht", "literarischer Müll und eine politische Pleite". Dem bleibt heute nichts hinzuzufügen, allenfalls das Erstaunen darüber, daß ausgerechnet ein Springer-Chef hier "Verdienste" sieht. Es stimmt offenbar: Wallraff hat bei Springer "etwas verändert".


 
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