© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/03 22. August 2003

 
Frisch gepresst

Die Kurden. Der Irak-Konflikt bedeutete für das auf fünf Staaten aufgeteilte Dreißig-Millionen-Volk der Kurden einen Glücksfall - nicht nur dank der Befreiung von der blutigen Unterdrückung durch Saddam Hussein. Von viel größerer Bedeutung dürfte sein, daß ihre Lage als Volk ohne Staat durch den Krieg ins internationale Bewußtsein dringen konnte. Die willkürliche Grenzziehung der kolonialen Mächte England und Frankreich, die nach 1918 ohne Rücksicht auf ethnologische Strukturen ihre Gebiete absteckten, die von den Nahost-Staaten bis heute konserviert werden, sah kein "Kurdistan" vor, obwohl vorhandene Ressourcen diesem Staat eine reiche Zukunft hätten gewähren können. Durch langjährige Kenntnis der Region, zahlreiche Reportagen und direkten Kontakt zu den Kurdenführern Mustafa Barsani und Dschalal Talabani kann der Publizist Günther Deschner diese Geschichte detailliert bis zum heutigen Status Quo beschreiben. Deschner formuliert dabei die Hoffnung auf mehr Autonomie für das "Bauernopfer internationaler Politik", die jedoch wegen eines kaum zu erwartenden US-Engagements zuungunsten des wichtigen Verbündeten Türkei eher unrealistisch erscheint (Die Kurden. Volk ohne Staat. Geschichte und Hoffnung. Herbig Verlag, München 2003, 349 Seiten, 24,90 Euro).

Ideologieverlust. Der linke Flügel der SPD wehrt sich gegen die Aufgabe ihrer Leitgedanken von "Gerechtigkeit" und "demokratischem Sozialismus". Gerade recht kommt da eine tiefer schürfende Analyse über die "Auflösung gesellschaftlicher Leitbilder". Das Leitbild einer gesicherten Erwerbsbiographie wird von der wirtschaftlichen Entwicklung zerstört, die Arbeitslosigkeit jedoch weiterhin abgewertet. Daraus ergeben sich Fragen in bezug auf die Menschenwürde - auch sie ein aufgelöstes Leitbild? Ärgerlich ist der Versuch, die gesellschaftlichen Gefahren, die aus den Veränderungen entstehen, einseitig bei den Rechtsextremen zu suchen. Obdachlosigkeit, Kriminalität und Drogensucht sind bei weitem verbreitetere Folgen sozialen Abstiegs (Jan Philipp Rüden: Politische Kultur in der Bundesrepublik im Zeichen der Auflösung gesellschaftlicher Leitbilder, Logos-Verlag, Berlin 2003, 146 Seiten, 24,90 Euro).

Neusprech grotesk. Bei allen Dingen des Lebens vertraut man in Deutschland gerne auf das Prädikat "Neu aus USA". So adaptierte man beflissen die Political Correctness, die seit den späten Siebzigern peu à peu in den Alltag einzog und uns ein Heer von "Beauftragten" bescherte, die die Minoritätenrechte nicht mehr nur sicherten, sondern zum Maßstab aufblähten. Nun hat man in Amerika wieder vorgelegt und mit dem Ausmisten der Schulbücher von vermeintlich rassistisch, antisemitisch und sexistisch Anstößigem begonnen. Die amerikanische Philologin Diane Ravitch karikiert diese grotesken Auswüchse: Bei bloßer Erwähnung bestimmter Speisen wird wegen Benachteiligung von Diabetikern und Allergikern zensorisch eingeschritten (The Language Police. How Pressure Groups restrict what Students learn. Alfred A. Knopf Press, New York 2003, 257 Seiten, 24 US-Dollar).

Jesus auf der Chefetage. "Was ist das Höchste in meinem Leben? Ist es das Unternehmen oder Gott? Wer hat den ersten Platz?" Solche Fragen stellen die in diesem Buch vorgestellten Geschäftsleute, deren Porträtfotos zumindest die Aura von Hinterzimmer-Croupiers und Gebrauchtwagenhändlern verbreiten. Schließlich entscheiden sie sich dann doch für ihren "Boß" (Gott), und damit ward alles gut. Ob die Unternehmensführung "nach biblischen Prinzipien" tatsächlich funktioniert, sei dahingestellt. Jedenfalls machen die Autoren nicht den Eindruck, daß es ihnen wirtschaftlich geschadet hätte (Jörg Knoblauch, Jürg Opprecht: Jesus auf der Chefetage - Von Unternehmern weltweit lernen. Hänssler Verlag, Holzgerlingen 2003, 340 Seiten, 19,95 Euro).


 
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