© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/03 22. August 2003

 
Riskante Hedge-Fonds für Deutschland
Börsenaufsicht: Bundesregierung ignoriert Warnungen aus den USA / Totalverluste für Privatanleger sind programmiert
Josef Hämmerling

Die Börse verkommt zu einem Wettbüro. Während das Geschehen an den Kapitalmärkten früher weitgehend im Zeichen der Geldanlage stand, haben mit der Freigabe von Termingeschäften auch für private Anleger vor über einem Jahrzehnt Spekulanten das Geschehen an sich gerissen. Doch es sieht aus, als ob die Bundesregierung aus den Turbulenzen am Aktienmarkt nichts gelernt hat. Anders ist es nicht zu erklären, daß das Bundesfinanzministerium ab 2004 auch in Deutschland Hedge-Fonds für Privatanleger zulassen will.

Grundsätzlich sind Hedge-Fonds nichts Negatives. Sie wurden geschaffen, damit institutionelle Anleger (Firmen, Versicherungen und Pensionskassen) ihre Anlagerisiken durch hedging minimieren konnten. Hierzu kauften diese Anleger Optionen, die ihnen das Recht einräumten, ihre Wertpapiere zu einem bestimmten Kurs verkaufen zu können. Stiegen die Aktien, ging nur die Optionsprämie verloren.

Dagegen werden beim heute gängigen risk-taking bewußt Risiken eingegangen. Die Fondsmanager suchen sich Aktien aus, die ihrer Meinung nach überbewertet sind, und können diese Aktien zum aktuellen Kurs verkaufen, obwohl sie diese gar nicht besitzen. Fällt der Kurs nun wirklich, decken sich die Fondsmanager auf niedrigerem Kursniveau mit den Aktien ein und gleichen damit die Leerposition aus.

Die Hedge-Fonds sind damit in der Lage, durch massive Leerverkäufe die Kurse bewußt nach unten zu manipulieren. Fällt der Kurs einer Aktie dann deutlich, werden viele "normale" Anleger nervös, verkaufen ihre Aktien ebenfalls und verstärken damit den Abwärtstrend. Nun können sich die Manager dieses Hedge-Fonds billig eindecken und machen einen Riesengewinn. Dieser geht allerdings zu Lasten von Kleinanlegern.

Potenziert wird dieser Effekt noch dadurch, daß die Hedge-Fonds nicht nur in Aktien investieren, sondern auch noch in Derivate, etwa Optionsscheine. In diesem Fall kann über den Kauf von Terminoptionen, den Calls, auch auf steigende Kurse gesetzt werden (bei Puts setzt man dagegen auf sinkende Kurse). Dabei werden oft für eine Prämie von wenigen tausend Euro Aktien gekauft bzw. verkauft, die einen Millionenwert ausmachen. Letztendlich wollen die Hedge-Fonds diese Optionen gar nicht ausüben. Es ist eine Wette. Liegen sie in der Tendenz richtig, verkaufen sie diese Optionsscheine zu einem dann deutlich höheren Kurs.

1998 drohte fast der Aktien-Supergau

Fatal wird es aber, wenn sich die Lage anders entwickelt als von den Hedge-Fonds eingeschätzt. Das beste Beispiel hierfür war das Jahr 1998, als - ausgelöst durch eine große Krise in Asien und Rußland - die Kapitalmärkte urplötzlich einbrachen. Der Long Term Capital Management Fonds (LTCM) hatte sich dabei so verkalkuliert, daß das Eigenkapital aufgezehrt war und Buchwerte von bis zu 80 Milliarden Dollar nicht gedeckt waren. Der Zusammenbruch dieses US-Hedge-Fonds hätte weitere Fonds und Banken mit in den Ruin gerissen. Verhindert werden konnte dies lediglich dadurch, daß 14 private Banken LTCM mit 3,6 Milliarden Dollar unter die Arme griffen. Im Januar 2003 brach ein 300 Millionen Dollar schwerer japanischer Hedge-Fonds zusammen.

Eine stärkere Regulierung dieser Hedge-Fonds durch die jeweiligen Regierungen gab es nicht: Viele dieser Risikofonds haben ihren Sitz auf den Cayman Islands oder anderen karibischen Steueroasen, wo es absolut keine Kontrollen gibt.

Hieraus machen diese Fonds auch gar keinen Hehl. So wirbt der österreichische Quadriga-Fonds, der das in Deutschland derzeit noch verbotene Hedge-Fonds-Geschäft mit einer Firmierung als Beteiligungsgesellschaft umgeht, unverblümt damit, daß er mit seinen Geschäften "keiner Bank- oder Börsenaufsicht" oder "irgendeiner anderen staatlichen Kontrolle" unterliegt: Der Firmensitz ist in Grenada.

Ab 2004 werden diese Hedge-Fonds in Deutschland nun auch privaten Anlegern zugänglich gemacht. Man kann davon ausgehen, daß viele Anleger dann mit schönen Gewinnversprechungen in hochspekulative Anlagen gelockt werden. Denn schließlich steht das Wort Fonds hierzulande noch für eine konservative Anlage, bei der das Risiko auf möglichst viele Aktien und Anleihen verteilt wird.

Wie gefährlich eine Anlage in Hedge-Fonds aber in Wirklichkeit ist, kann man in den USA sehen. Dort hat die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC (Securities and Exchange Commission) den fiktiven Risikofonds Guaranteed Returns Diversified Inc. ins Internet gestellt ( www.growthventure.com/grdi ). Will ein Anleger nun dieses Angebot mit der angeblich garantierten Rückzahlung seines Einsatzes nutzen, stößt er auf die Warnung der SEC: "Wenn Sie auf eine Anlage-Idee wie diese reagieren, könnten Sie betrogen werden."

SEC-Chef William Donaldson setzt sich darüber hinaus für eine stärkere Regulierung der Hedge-Fonds ein. Besonders weniger erfahrene Anleger könnten bei dieser Anlage unter Umständen ihr ganzes Kapital verlieren. Aus diesem Grund leitete die SEC inzwischen mehr als 25 Ermittlungsverfahren gegen Hedge-Fonds wegen möglicherweise unzureichender Risikoaufklärung ein.

Um so unverständlicher ist es dann, daß die Bundesregierung trotz vieler Warnungen aus allen Parteien und von Anlegerschützern an der Öffnung der Hedge-Fonds auch für Privatanleger festhält. Selbst die ursprünglich angedachte Mindestanlage von 30.000 Euro wurde gekippt. Die einzige Absicherung ist, daß sich deutsche Anleger nur in Dachfonds beteiligen dürfen, die wiederum maximal 20 Prozent ihrer Finanzmittel in einen Einzelfonds investieren dürfen. Immerhin müssen Hedge-Fonds ihre Deutschland-Prospekte mit einem Warnhinweis versehen: "Der Bundesminister der Finanzen warnt: Bei diesen Investmentfonds müssen Anleger bereit und in der Lage sein, Verluste des eingesetzten Kapitals bis hin zum Totalverlust hinzunehmen."


 
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