© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/03 25. Juli / 01. August 2003

 
Unehrlichkeit und Täuschung
USA II: Die US-Demokraten wittern nicht nur wegen des Debakels im Nachkriegs-Irak Morgenluft / Bush auch wirtschaftlich unter Druck
Alexander Griesbach

Vor vier Monaten begann der "Präventiv-Krieg" gegen den Irak, doch inzwischen kann konstatiert werden, daß fast das gesamte angloamerikanische Geheimdienstmaterial über "Massenvernichtungswaffen" unbestätigt geblieben ist. Zum regelrechten Skandal hat sich jene kurze Passage ausgewachsen, in der US-Präsident George W. Bush dem Irak angebliche Uran-Kaufabsichten im Niger unterstellte. Nicht die einzelne Episode sei besorgniserregend, konstatierte die New York Times, sondern das "breitere Muster von Unehrlichkeit und Täuschung, das uns die Irak-Causa eingebrockt hat".

Um dauerhaften Schaden zu vermeiden, geht das Weiße Haus daher in die Offensive. Hochrangige Regierungsmitglieder bemühen sich in Fernsehsendungen, Erklärungen für die Fehler anzubieten. Die Medien werden zu Sündenböcken erklärt, weil sie das Thema angeblich aufbauschten. Und schließlich wird den oppositionellen US-Demokraten vorgehalten, das Thema Irak politisch ausschlachten zu wollen. Das Irak-Debakel aber nur mit Inkompetenz und Gleichgültigkeit der Regierung Bush erklären zu wollen, griffe zu kurz.

Bushs "Neocons" ging es vor allem darum, die Wirtschaft des Iraks auszuschalten. Die Vorkriegsstrukturen einer staatlich kontrollierten Industrie sollten zerschlagen und alle Beschränkungen niedergerissen werden, die US-Konzerne daran hindern könnten, dem Ölreichtum des Iraks habhaft zu werden. Die Energiekonzerne und ihre Lobbyisten in Washington haben den Irak von jeher einzig als Gewinnquelle angesehen.

Für den Wiederaufbau des Irak sollen andere zahlen

Abgesehen von der Kontrolle über die irakischen Ölanlagen, der Errichtung von Militärbasen und dem schleppenden Aufbau von Sicherheitskräften haben die USA offensichtlich nur wenig Interesse daran, den Irak "wiederaufzubauen". Das soll die "internationale Gemeinschaft" finanzieren.

Die Amerikaner behaupten, daß das irakische Volk selbst entscheiden könne, welches Wirtschaftssystem es wolle. Sie betonen jedoch, daß ein "dynamischer Privatsektor" die "unabdingbare Voraussetzung für eine stabile Wirtschaft und stabiles Wirtschaftswachstum" sei. Wem der Privatsektor letztendlich gehört, wird aber nicht thematisiert.

Der offensichtliche Sinkflug der Regierung Bush wegen der Vorgänge im Irak läßt jedoch für die US-Demokraten neue Hoffnung schöpfen. Deren Präsidentschaftskandidat John F. Kerry, derzeit Senator des US-Bundesstaates Massachusetts, nutzt die Situation, um sich zu profilieren. Mit scharfen Worten kritisierte er die US-Politik im Nachkriegs-Irak. Er warf Bush Arroganz vor und monierte, daß keine internationale Schutztruppe formiert worden sei, um das Land zu befrieden. Gleichzeitung warnte er davor, daß die Fehler im Irak den globalen Krieg gegen den Terrorismus unterminierten.

Kerry hat freilich noch weitere Argumente gegen Bush. Die Bilanz der derzeitigen US-Regierung im Hinblick auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze, so unterstrich Kerry, sei die schlechteste seit Präsident Herbert Hoovers während der Depression. Weiter schob Kerry Bush die Verantwortung für den schlechtesten Zustand der US-Wirtschaft seit Jahren zu. "Die Politik der Regierung Bush", so Kerry, "ist auf eine grundsätzliche Art und Weise falsch." Wie aber sehen nun die Alternativen von Kerrys Demokraten aus?

Um der Langzeitbedrohung des Terrorismus zu entgehen, so unterstrich Kerry, müßten die USA diplomatische Anstrengungen unternehmen, Staaten wie Saudi-Arabien davon abzubringen, den islamischen Fundamentalismus zu unterstützen. "Was wir im Mittleren Osten benötigen", so betonte Kerry, "ist eine aggressive, vorausschauende, hochengagierte Form von Diplomatie, die Einfluß nimmt und bei der Konsens darüber besteht, wie arabische Staaten wie Saudi-Arabien in die Moderne gebracht werden können."

Howard Dean, ein weiterer Demokraten-Kandidat für die Präsidentschaftswahl, forderte mittlerweile eine unabhängige Untersuchung der von Bush genannten Kriegsgründe. "Ich glaube, daß der Präsident seinem Land eine Erklärung schuldet, denn was der Präsident gesagt hat, entsprach nicht vollständig der Wahrheit." Genußvoll zitierte Dean Sätze der Regierung über die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen und die Gefahr, die Saddam Hussein angeblich für die USA darstelle. "Wir brauchen eine eingehende Untersuchung dessen, was zum Krieg gegen den Irak führte", verlangte Dean.

Allerdings zog der damalige US-Präsident Clinton, ebenfalls unter Aufbietung zweifelhafter Argumente, 1998 auch einen umfassenden Militärschlag gegen den Irak in Erwägung. Ähnlich wie die Regierung Bush verkündete damals Präsidentensprecher Joe Lockhart mit Blick auf den Irak: "Es gibt nichts, worüber zu verhandeln wäre." Und Al Gores Vizepräsidenschaftskandidat Joe Lieberman war einer der eifrigsten Befürworter des Irak-Krieges bei den US-Demokraten. Der Unterschied zwischen der Politik der Regierung Bush und Clinton gegenüber dem Irak besteht einzig darin, daß Bush Ernst gemacht hat - mit Folgen, die noch unabsehbar sind.


 
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