© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/03 18. Juli 2003

 
Frisch gepresst

Wlassow. Der langjährige wissenschaftliche Direktor am Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr (MFGA), Joachim Hoffmann, galt als der Fachmann für die Geschichte der Streitkräfte der Sowjetunion. Seine 1984 erschienene "Geschichte der Wlassow-Armee" wurde folgerichtig zum Standardwerk über jenen Verteidiger Moskaus, der 1942 in deutsche Gefangenschaft geriet und die sich im Kriegsverlauf bildenden "Osttruppen" kommandierte, die ab 1944 den Namen "Streitkräfte des Komitees zur Befreiung der Völker Rußlands" führten. Allerdings verhinderte deutsches Mißtrauen, daß diese Truppen direkt gegen die Rote Armee eingesetzt wurden, um "die russische Erde von Stalin zu befreien". Im Vorwort Hoffmanns, noch vor seinem Tode 2002 verfaßt, beschreibt er sowohl das internationale Aufsehen und die Anerkennung, die sein Werk provozierte, als auch die Widerstände seiner Nachfolger im MFGA, eine Neuauflage anzustrengen (Die Tragödie der "Russischen Befreiungsarmee" 1944/45. Wlassow gegen Stalin. Herbig Verlag, München 2003, 400 Seiten, gebunden, 29,90 Euro).

Deutscher Adel. Ungeachtet der jüngsten, mit den Forschungen Eckart Conzes zum Geschlecht der Grafen Bernstorff verknüpften Bemühungen um die Geschichte des deutschen Adels auf dem kurzen Weg von der Monarchie ins Dritte Reich klafft hier eine riesige Forschungslücke. Sie hat sich mit Erscheinen der an der TU Berlin entstandenen Dissertation Stephan Malinowskis jetzt spürbar verkleinert. Dabei hält sich der Autor mit der schier uferlosen Sozialgeschichte erst gar nicht auf. Ihn interessieren die politischen, durch die zwei Systemwechsel von 1918 und 1933 induzierten Orientierungen und Mentalitäten. Er liefert damit einen gewichtigen Beitrag zur Geschichte des deutschen Konservatismus, der sich streckenweise allerdings allzu sklavisch an die idealtypischen Konstruktionen des Hamburger Soziologen Stefan Breuer hält. Damit verschenkt er gerade in der Darstellung, die für die NS-Zeit auf den 20. Juli 1944 zuläuft, manche Chance zu differenzierter Analyse, so daß die Gewichtung etwas einseitig zugunsten der "Namen, die keiner mehr nennt" - der Adligen in der NSDAP - ausfällt (Vom König zum Führer. Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat. Akademie Verlag, Berlin 2003, 660 Seiten, 59,80 Euro).


 
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