© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/03 04. Juli 2003

 
Amerikas erster Propagandafeldzug
In der Schlacht von Gettysburg vor 140 Jahren verpaßten die Konföderierten Staaten die letzte Chance, ihre Unabhängigkeit durchzusetzen
Klaus Gröbig

In der Morgendämmerung des 1. Juli 1863 trafen die Spitzen einer konföderierten Division in Gettysburg auf Kavallerie-Abteilungen der Nordstaaten. Von Stunde zu Stunde erhielten beide Seiten Verstärkungen. Zwei Korps der Südstaaten griffen die Union in ihren Stellungen an und konnten im Laufe des Tages die pennsylvanische Stadt wenige Kilometer jenseits der Grenze zu Maryland vollständig einnehmen. Ganze Brigaden des Feindes befanden sich in Auflösung. Manche der "Yankee"-Soldaten versuchten sich Zivilkleidung zu organisieren, Brigadegeneral Schimmelfennig vom XI. Korps der Unionstruppen soll sich sogar drei Tage in einem Schweinestall versteckt haben. Von den 18.000 Unionssoldaten, die um Gettysburg kämpften, waren nur noch 12.000 übrig. Der Rest war geflohen, verwundet oder gefallen. So endete der erste Tag der wohl berühmtesten Schlacht des nordamerikanischen Bürgerkrieges in dem kleinen Ort Gettysburg. Der weitere Verlauf dieses entscheidenden Gefechtes sollte die Niederlage der Konföderierten von 1865 vorwegnehmen.

Viele Faktoren deuteten auf schnellen Sieg des Nordens

Ausgelöst wurde der Krieg durch die Wahl Abraham Lincolns 1860/61 zum 16. Präsidenten der USA. Elf Bundesstaaten unter der Führung des zum eigenen Präsidenten gewählten Demokraten Jefferson Davis nahmen dies zum Anlaß, aus der Union auszutreten und die Konföderierten Staaten von Amerika auszurufen. Lincoln ließ daraufhin Militär in den Süden einmarschieren, um die Union wiederherzustellen. Trotz der entschlossenen Haltung des Südens, für seine Unabhängigkeit zu kämpfen, war die Perspektive von vornherein getrübt. Fast alle Faktoren sprachen für einen schnellen Sieg des Nordens, da er über fast alle größeren montanen Rohstoffe und die industriellen Ressourcen in Pennsylvania und Ohio und über eine ungleich höhere Bevölkerung mit den Hauptanlaufhäfen der europäischen Einwanderer in New York und Boston verfügen konnte. Dennoch ließ der Sieg lange auf sich warten. Das lag auch daran, daß Lincoln keine ausreichend fähigen militärischen Führer aufweisen konnte, da sich die Offizierselite der US-Armee mehrheitlich für den Süden entschieden hatte. Der kommandierende General der Nordstaaten, Ulysses S. Grant, war schwer alkoholkrank und nur bedingt geeignet. So mußten die Truppen der Union bei den ersten Kampfhandlungen gegen die "Rebellen" der Konföderierten Armee der Südstaaten empfindliche Niederlagen einstecken, wie bei Mannasses (Bull Run) am 21. Juli 1861. An diesem Ort, etwa dreißig Kilometer südlich Washingtons hatte die Südarmee trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit gesiegt und damit Lincolns Traum vom schnellen Sieg über den Süden beendet. Zumindest konnte Lincoln einige Staaten für die Union sichern und ihren Abfall abwenden. Als beispielsweise in Maryland ein Beschluß des Parlamentes über einen Beitritt zur Konföderation anstand, ließ Lincoln alle Parlamentarier verhaften, von denen bekannt war, daß sie unionskritisch seien. Auch in Missouri konnte der Republikaner-Präsident durch Gewalt einen Beitritt zur Konföderation verhindern. Der dortige Kongreß hatte bereits den Austritt aus der Union beschlossen, als Lincoln das ganze Land kurzerhand unter Militär- und Standrecht stellen ließ. Kentucky und Delaware teilten dieses Schicksal und wurden durch massiven Druck daran gehindert, dem Süden beizutreten. Ein kleiner unionsfreundlicher Teil Virginias wurde abgetrennt und als ein bis heute eigenständiger Bundesstaat (West-Virginia) formiert.

Nach Bull Run hatten die als "Yankees" bezeichneten Nordstaatler mehrfach vergeblich versucht, in den Süden einzumarschieren. Die vernichtende Niederlage einer Nordstaatenarmee bei Chancellorsville in Virginia 1862 veranlaßte den militärischen Führer des Südens, General Robert Edward Lee, mit einem spektakulären Sieg auf dem Gebiet des Nordens die Anerkennung der Unabhängigkeit zu erzwingen. Dank der innenpolitischen Probleme Abraham Lincolns schien die Gelegenheit günstig. Sein Ansehen litt unter den Niederlagen gegen den Süden, und die Bevölkerung begann, Kriegsmüdigkeit zu zeigen.

General Lee zog für seinen finalen Schlag von anderen Fronten alle entbehrlichen Truppen in Virginia zusammen - insgesamt 80.000 Mann. Aufgeteilt in drei Armeekorps zogen die langen Kolonnen der taubengrau uniformierten Soldaten in den Norden ein. Als ersten Bundesstaat durchquerten sie Maryland. Hier wurde die Südarmee von der Bevölkerung begeistert empfangen, zahlreiche Freiwillige schlossen sich ihr an. Dieser erfolgreiche Marsch der Konföderierten setzte sich bis zur Schlacht von Gettysburg fort. Doch der Sieg des ersten Tages wurde durch lavierendes Handeln des Generalstabes aus der Hand gegeben. Der Nordstaaten-General George Meade konnte seine ursprünglich 95.000 Mann starken Truppen erneut formieren und die Schlacht trotz der größeren Verluste von 23.000 Soldaten nach zwei weiteren Tagen für sich entscheiden.

Die Unerbittlichkeit des Krieges nahm immer mehr zu

Der Ausgang des Krieges stand nach dieser Niederlage nicht mehr in Zweifel. Zudem ging der Norden dazu über, dem Krieg durch das teilweise brutale Vorgehen gegen Zivilisten, gegen Ortschaften und ganze Städte ein unerbittliches Gesicht zu geben. Auch das neue Mittel der Kriegspropaganda trug zu einer Brutalisierung bei. Die Agitation gegen die "Sklaventreiber" im Süden fiel in einigen Nordstaaten, die keine Plantagenwirtschaft kannten, auf fruchtbaren Boden und verdeckte alle wirtschafts- und machtpolitischen Absichten mit einem humanitären Mantel. Die teilweise kostenlose Verbreitung des Romans "Onkel Toms Hütte" von Harriet Beecher Stowe, die selbst nie die Südstaaten betreten hatte, schilderte die Sklavenhaltergesellschaft derart einprägsam, daß dieses Buch bis zum heutigen Tage im Gespräch ist.

Nach Ende des amerikanischen Bürgerkrieges, in dem mit 600.000 Menschen mehr Amerikaner starben als in allen anderen Kriegen der USA zusammen, wurde auch im Sinne dieser moralischen Überlegenheit dem Süden der Frieden diktiert. So wurde die Wirtschaftskraft des ohnehin schwachen Südens durch eine Erhöhung der Steuerlast (in Louisiana um das Zwanzigfache) langfristig gehemmt und an den prosperierenden Norden gebunden.


 
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