© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/03 27. Juni 2003

 
CD: Rock
Für die Ewigkeit
Holger Stürenburg

Obwohl sich die britische Rocklegende The Who bereits Ende 1982 offiziell aufgelöst hatte und nach dem (durchwachsenen) Abschiedsalbum "It's hard" (1982) kein einziger neuer Song der Herren Roger Daltrey (Gesang), Pete Townshend (Gitarre), John Entwistle (Baß), Keith Moon, später Kenny Jones (Schlagzeug) erschienen ist, kam die Kultband der Mod-Bewegung in den letzten Jahren immer wieder sporadisch für kleine Tourneen, Festivalauftritte und vor allem Benefizkonzerte zusammen - und rockte wild drauflos wie in alten Zeiten.

So auch Ende 2000 in der vornehmen Londoner Royal Albert Hall zugunsten des Teenage Cancer Trust, einer Hilfsorganisation, die sich für krebskranke Kinder und Jugendliche einsetzt. Fast drei Stunden lang absolvierten die verbliebenen Bandmitlieder, verstärkt durch Ringo Starrs Sohn Zak Starkey am Schlagzeug und John "Rabbit" Bundrick an den Tasten, einen Streifzug durch die dreißigjährige Who-Geschichte. Zur Feier des Tages hatte man eine Reihe von Gästen eingeladen, von denen viele The Who als musikalisches Vorbild betrachten.

Am 30. Juni 2003 nun veröffentlicht Steamhammer/SPV eine Doppel-CD mit den spannendsten Momenten dieses ungewöhnlichen Treffens zweier Rockgenerationen, das in dieser Form auf Einmaligkeit ausgerichtet war. Nicht - wie zuletzt regelmäßig bei den seltenen Liveauftritten von The Who - die häufig, aber nicht immer als gelungen zu bezeichnenden Rockopern wie "Tommy" oder "Quadrophenia" standen im Vordergrund des Programms, sondern vor allem die kleinen und großen Hits der Band von den Anfangstagen 1965/66 bis in die frühen 1980er Jahre hinein. Mag sein, daß Daltreys Stimme nicht mehr die geschmeidigste ist, nicht immer den richtigen Ton trifft; im großen und ganzen bietet "Live at the Royal Albert Hall" jedoch einen durchaus ansprechenden Hörgenuß. Dazu tragen zu einem großen Teil die illustren Gäste des Konzertes bei. Etwa wenn Townshend zusammen mit seinem wohl gelehrigsten Schüler Paul Weller akustisch, nur zu den sanften Klängen zweier Konzertgitarren, "Drowned" aus "Quadrophenia", oder das dem an Krebs gestorbenen Ronnie Lane von den Small Faces gewidmete "Heart to Hang Onto" intoniert. Da laufen einem schon wohlige Schauer den Rücken herunter. Pearl Jams Eddie Vedder transferiert "I'm the One" und "Getting in Tune" gekonnt ins neue Jahrtausend und verleiht den einstigen Teenhymnen den nötigen Biß des Heute - sogar Bryan Adams gelingt es, dem Klassiker "Behind Blue Eyes" eine aktuelle Note zu geben.

Oasis-Rüpel Noel Gallagher drischt bei der noch immer monumentalen, drastischen, an jugendlicher Wut kaum zu überbietenden Anklageschrift "We won't get fooled again" die Gitarre, während sich Townshend, Daltrey und Eddie Vedder bei "Let's see Action" die Gesangsparts teilen. Daltreys fast fünfminütiges Mundharmonikasolo bei "Magic Bus" klingt noch immer historisch und authentisch; John Entwistle genießt es in vollen Zügen, "My Wife" inbrünstig, fast sieben Minuten lang, zelebrieren zu können. Seine Künste am Baß darf er in der aufmüpfigen Teenhymne "5:15" gut fünf Minuten lang ausleben. Natürlich fehlt auch "You better you bet" nicht, der unterbewertete letzte kleine Hit der Who aus dem Frühjahr 1981.

Die Doppel-CD, der in der limitierten Erstauflage eine dritte Silberscheibe mit vier weiteren Liveklassikern beigefügt ist, zeigt, wie The Who heute klingen würden, hätten sie 1982 nicht aufgehört, sich musikalisch weiterzuentwickeln. Vor allem aber beweist "Live at the Royal Albert Hall" den Ewigkeitswert vieler Who-Songs. Dafür soll mancher stimmliche Aussetzer und das eine oder andere Klischee in den Arrangements verziehen werden.


 
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