© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/03 27. Juni 2003

 
Bioland ist abgebrannt
Agrarwende: Das von Ministerin Künast verkündete Ziel, 20 Prozent Öko-Landwirtschaft zu erreichen, ist in weite Ferne gerückt
Alexander Barti

Die derzeitige wirtschaftliche Depression hat auch die deutschen Bio-Landwirte erreicht. Nicht nur, daß Bauern praktisch nicht mehr auf Bio umstellen, die ersten fangen schon wieder an, konventionell zu wirtschaften.

Dabei sind die Skandale mit verseuchtem Futtermittel, BSE, Schweinepest und anderen unappetitlichen Zwischenfällen noch gar nicht lange her. Für Öko-Schweine fehlten in Deutschland schlicht die Käufer, stellte Spiegel-online am 19. Juni fest und brachte damit die Problematik auf den Punkt. Denn obwohl Lebensmittel in Deutschland zu den kleineren Kostenfaktoren im Haushalt gehören, haben die Bürger das Gefühl, sich gesunde Nahrung nicht mehr leisten zu können. Aber das ist nicht die einzige Ursache für die dramatische Lage bei den Bio-Höfen. Vielmehr gerät ausgerechnet die Heldin der Agrarwende, die grüne Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Renate Künast, ins Kreuzfeuer der Kritik.

Das auf EU-Norm nivellierte Biosiegel, das doch eigentlich die Bioproduktion so richtig ankurbeln sollte, erweist sich als Schuß in den Ofen. Zwar werden ein Viertel aller Bioumsätze der EU - rund drei Milliarden Euro - in Deutschland gemacht, aber die Gewinne fließen zunehmend an ausländische Produzenten. Denn mit den niedrigeren Bio-Normen können zum Beispiel auch polnische Gemüsebauern mithalten, aber zu dortigen Preisen kann kein deutscher Biobauer produzieren. Kein Wunder also, daß der Geschäftsführer des Ökoanbauverbandes Bioland, Thomas Dorsch, eine Verschärfung der EU-Ökoverordnung fordert. Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, zuständig für die konventionelle Branche, versuchte Druck bei der Bundesregierung zu machen. Sonnleitner forderte zusätzlich zum Biosiegel die Einführung eines nationalen oder regionalen Herkunftsnachweises, was Künast ablehnt.

Daher ist zu erwarten, daß vor allem diejenigen Betriebe, die mit der Bio-Welle das schnelle Geld machen wollten, wieder zur konventionellen Wirtschaftsweise umstellen werden. Das bedeutet, daß die derzeitige Bio-Gesamtfläche von 632.000 Hektar schrumpfen wird und mit ihr die Anzahl der 14.703 Betriebe - sehr zur Freude der chemischen Industrie, für die jeder Hektar ohne Kunstdünger ein Greuel ist. Das ehrgeizige Ziel der großspurig verkündeten "Agrarwende", bis 2010 einen Anteil von 20 Prozent Biolandwirtschaft zu erreichen, rückt damit in weite Ferne. Vor allem die Grünen können eines ihrer letzten Prestigeobjekte in die Biotonne schmeißen und sich dabei sicher sein, wichtige Stammwähler vergrault zu haben. Aber vielleicht kommt doch noch zur rechten Zeit ein Lebensmittelskandal, der zumindest Ministerin Künast das politische Leben verlängert.


 
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