© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/03 27. Juni 2003

 
Bin Laden beliebter als George W. Bush
Weltpolitik: Eine weltweite Studie offenbart den dramatischen Ansehensverlust der USA seit dem Irak-Krieg
Ronald Gläser

Kürzlich wurde in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über die Haltung der Union zur US-Außen-politik debattiert. Es galt die Aussage zu bewerten, daß die angeblichen Massenvernichtungswaffen nur ein vorgeschobener Kriegsgrund gewesen seien. Der CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger soll das Gelächter seiner Parteifreunde geerntet haben, als er forderte, die Union solle sich dennoch hinter die Bush-Administration stellen.

Es steht schlecht um die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA. Die US-Studie "Views of a Changing World" hat jetzt aber nicht nur die Verstimmungen im transatlantischen Bündnis verifiziert. Im Rahmen einer globalen Studie wurden die Meinungen von 66.000 Menschen in 50 Ländern untersucht. Neben dem Bruch zwischen Europäern und Amerikanern wird auch der Haß offensichtlich, den die moslemische Welt der einzigen Weltmacht entgegenbringt.

Die vier Hauptthemen, nach denen gefragt wurde, waren der Irak-Krieg, Demokratie, Islam und Regierung sowie Globalisierung. Ex-US-Außenministerin Madeleine Albright, die Vorsitzende des Pew Global Attitudes Project, erklärt in ihrem Vorwort, es sei wichtig zu verstehen, wie die Menschen auf die US-Außenpolitik reagierten.

Die Kritik, die weltweit an den USA geäußert werde, richte sich gegen die augenblickliche Außenpolitik, nicht aber gegen die Werte, die den Amerikanern am Herzen lägen: Freiheit, Marktwirtschaft, Demokratie. Da 1991 eine ähnliche Meinungsbefragung durchgeführt wurde, liegen Vergleichszahlen vor.

Auch die Uno hat an Akzeptanz verloren. Weltweit herrscht die Meinung vor, ihre Bedeutung habe sich verringert. Am stärksten wird dies in Israel so gesehen. Hier vertreten 72 Prozent der Befragten diese Auffassung. In den Vereinigten Staaten sind es 60 und in Deutschland 53 Prozent.

Die allgemeine Zustimmung zu den USA ist überall drastisch gesunken. Der Tiefpunkt war im März, unmittelbar vor dem Beginn des Irak-Kriegs. Selbst bei den Briten sanken die Sympathiewerte unter die 50-Prozent-Marke. In der Türkei erteilten den USA nur noch zwölf Prozent eine gute Kopfnote - nach 52 Prozent 1991. In Deutschland sank die Zahl der Sympathisanten von 78 auf 25 Prozent.

Mittlerweile ist die Zustimmung weltweit wieder gestiegen, sie verharrt jedoch unter den jeweiligen Werten vor dem Irak-Krieg. Um dies zu ermitteln, wurde nach dem Krieg noch eine Blitzumfrage durchgeführt. In nur sieben Ländern überwiegen die positiven die negativen Assoziationen mit den USA.

In den islamischen Staaten (außer Kuwait) dominiert die ablehnende Haltung. In Indonesien zum Beispiel stehen 83 Prozent USA-Kritikern nur 15 Prozent USA-Befürworter gegenüber. In Jordanien und Palästina erreicht die Ablehnung Rekordmarken von 99 bzw. 98 Prozent. Umgekehrt sind nur 29 Prozent der befragten US-Bürger Frankreich freundlich gesonnen. Deutschland ergeht es ein wenig besser.

Die US-Amerikaner als Volk kommen besser weg als ihr Land. Am beliebtesten sind sie in Großbritannien, Kanada und Israel. Die deutschen Sympathiewerte liegen mit 67 Prozent im Mittelfeld. In Jordanien dagegen ist ihre Akzeptanz von 53 auf 18 Prozent gesunken.

Nach dem Grund für ihre Ablehnung gefragt, nannten 74 Prozent der Franzosen mit einer negativen Meinung US-Präsident George W. Bush. Nur 22 Prozent haben ein grundsätzliches Problem mit den USA. In Deutschland sieht das Bild gleichermaßen aus. Die Spitze der Länder, in denen die grundsätzliche Kritik die Bush-spezifische übersteigt, bildet Südkorea (72 zu 20 Prozent).

24 Prozent der US-Bürger haben einen Boykott von europäischen Produkten erwogen. Weitere vierzehn haben es sogar getan. In Europa dagegen war die Bereitschaft zum Boykott längst nicht so ausgeprägt: Frankreich 21, Deutschland 18, Großbritannien 10 Prozent. Im arabischen Raum waren es annähernd 90 Prozent. Nur 23 Prozent der Deutschen glauben, daß die USA alles tun, damit es den Irakern besser ginge. Trotz der Ablehnung des Krieges wird in den meisten Ländern gesehen, daß die Iraker vom Kriegsausgang profitieren. Das sagen 76 Prozent der Deutschen, 78 der Israelis und sogar 87 Prozent der US-Bürger. In der Türkei überwiegt die negative Einschätzung (37 zu 45 Prozent). Von den Palästinensern sagen 85 Prozent, den Irakern gehe es jetzt schlechter.

Den Kampf der Amerikaner gegen den internationalen Terrorismus stützen noch immer 60 Prozent der Deutschen und Franzosen. In Rußland ist die Unterstützung stärker zurückgegangen, nämlich auf 51 Prozent. In Israel sind es 95, in Palästina zwei Prozent.

Aber es wünschen sich auch immer mehr Europäer in Nato-Staaten eine unabhängigere Außenpolitik: Frankreich 76, Türkei 62, Deutschland 57 Prozent. Die Zahl der Befürworter einer engen Kooperation überwiegt in den USA, Kanada und Großbritannien. Allerdings sagen auch 70 Prozent der Kanadier, die USA nähmen ihre Interessen nicht ernst. In Rußland sind dies 71 und in Spanien 74 Prozent.

Bemerkenswert ist die Zustimmungsrate zu den wichtigsten Politikern der Welt in der islamischen Welt. In der Türkei und Indonesien wurde Arafat am häufigsten genannt. Im arabischen Raum (Jordanien, Libanon Marokko) dominiert der französische Präsident Jacques Chirac die Beliebtheitsskala. In Palästina nannten 71 Prozent Osama bin Laden als wichtigsten Politiker. In Jordanien, Marokko und Pakistan ist bin Laden der zweitmeist genannte. Bush kommt lediglich in Kuwait auf den zweiten und in Nigeria auf den dritten Platz.

In vielen moslemischen Ländern wird der allgemeine moralische Niedergang beklagt. Viele Moslems halten Demokratie für positiv und in ihrem Land für durchführbar. Ein Ausreißer ist Indonesien, wo 53 Prozent der Befragten Demokratie für ein westliches Herrschaftsinstrument halten, das nicht zu ihnen paßt.

Erstaunlich große Zustimmung findet die Globalisierung. Selbst in Entwicklungsländern oder in Staaten, die von Finanzkrisen erschüttert worden sind, dominiert eine positive Einstellung. 52 Prozent der Jordanier und 60 Prozent der Argentinier begrüßen die Globalisierung. Die USA liegen mit 78 Prozent Zustimmung längst nicht an der Spitze der Befürworter, auch nicht Deutschland mit 91 Prozent. Am meisten wird die Globalisierung von Vietnamesen (98 Prozent) und Usbeken (97 Prozent) begrüßt.

Institutionen wie IWF und Weltbank genießen eine sehr hohe Akzeptanz. Dagegen werden die Anti-Globalisierungs-Demonstranten in aller Welt negativ beurteilt. Nicht einmal das Auseinanderklaffen von Arm und Reich wird der Globalisierung angelastet, so die Studie weiter. Selbst in Indonesien sehen dies nur 44 Prozent der Befragten so. Wohlgemerkt bezieht sich die Zustimmung zur Globalisierung nicht auf das symbolträchtige "Fast Food". Zwar schätzen 68 Prozent der Deutschen die Globalisierung als Gewinn ein, aber 63 Prozent lehnen US-Schnellimbißketten ab. Vor allem die Afrikaner, aber auch zwei Drittel der Amerikaner fürchten um ihre Traditionen.

Daß sich die Situation ihres Landes verschlechtert habe, meinen jedoch sehr viele Menschen: Argentinien 94, Rußland 92, Deutschland 90, Frankreich 82, jedoch Vietnam nur 51 und Ukraine 44 Prozent.

Gerade diese Aspekte der Umfrage müssen stutzig machen. Immerhin war die Mitinitiatorin Albright in der letzten US-Regierung der Demokraten unter Bill Clinton Außenministerin. Verfolgt die Studie das Ziel, zu beweisen, daß die von den USA forcierten "Werte" gut, aber die augenblickliche Regierung schlecht ist? Schon die Fragestellung verrät teilweise mehr über den Fragesteller, als die Antwort an Aussagekraft hergeben kann. So wurde nach den größten Gefahren für die Stabilität der jeweiligen Region gefragt. Drei Antworten wurden gleich mitgeliefert, ohne daß andere Nennungen möglich waren: Iran, Syrien und Nordkorea.


 
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