© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/03 27. Juni 2003

 
Kolumne
Landnahme
Klaus Hornung

Es ist die zentrale Schwäche europäischer und insbesondere heutiger deutscher Politik, kurzfristig, in den Kategorien von Medienaktualität und bestenfalls parlamentarischer Legislaturperioden zu denken und zu handeln anstatt in geschichtlichen, generationsübergreifenden Perspektiven. Das zeigt sich nirgends deutlicher als in der Auseinandersetzung mit dem Islam und seiner militanten, islamistischen Variante. Deren Strategen denken in großen Zeiträumen, in der Perspektive, daß es dort anzuknüpfen gelte, wo der türkisch-islamische Vorstoß 1683 vor Wien scheiterte, um anschließend vom Habsburger Reich und Prinz Eugen weit nach Südosten zurückgedrängt zu werden.

Heute führen die islamistischen Strategen einen gleichermaßen vor- wie postmodernen Kampf der Wiegen und Geburten gegen ein Europa, dessen dramatischer Geburtenrückgang eine islamische Landnahme im alten Okzident geradezu provoziert. Die europäischen Politiker denken hingegen in kleinkarierten Kategorien: Arbeitskräfte, Rentenbeiträger, doppelte Staatsbürgerschaft, Rechtsstaat bis zur Selbstpreisgabe. Noch hat kaum einer von ihnen begriffen, daß zum Beispiel das westlich-individualistische "Bodenrecht", das gern als fortschrittlichstes und modernstes seiner Art gepriesen wird, von den Islamisten längst zum Instrument einer ganz unmodernen, archaischen Politik der Völkerwanderung und Landnahme umfunktioniert wurde.

Weder Jacques Chirac noch Otto Schily oder Gerhard Schröder scheint bis jetzt auch der Zusammenhang zwischen europäischer Geburtenkatastrophe und islamischer Offensive zu dämmern. Längst sind die islamischen Gemeinschaften in West- und Mitteleuropa - als Wähler und in der medienpolitischen Einflußnahme - zu Vetogruppen herangewachsen, die unseren Rechtstaat geradezu zynisch instrumentalisieren. Man denke nur an den Skandal um das Buch von Udo Ulfkotte "Der Krieg in unseren Städten", das die Islamisten mit allen Tricks von den Lesern fernzuhalten versuchen. "Es ist Blut im Wasser, und die Haifische werden rasend", hieß ein Buch des amerikanischen Senators Patrick Moynihan zu Zeiten amerikanischer Schwäche im Kalten Krieg.

Heute gilt dies erneut im Blick auf die europäische Schwäche und die islamistische Offensive, die wie zwei Backen einer Zange gegen "good old Europe" wirken. "Der Politiker denkt nur an die nächste Wahl, der Staatsmann an die nächste Generation", lautet ein geflügeltes Wort. Werden wir noch Staatsmänner bekommen, ehe es wieder einmal zu spät ist?

 

Prof. Dr. Klaus Hornung ist Politikwissenschaftler und Präsident des Studienzentrums Weikersheim.


 
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