© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/03 27. Juni 2003

 
Hansjürgen Karge
Unter Feuer
von Ronald Gläser

Vielen gilt er als unbequem. Der langjährige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) soll mit dem Sozialdemokraten Hansjürgen Karge seine Probleme gehabt haben. Nach dem "Volksfront-Putsch" vor zwei Jahren versuchte selbst der rot-rote Senat ihn loszuwerden - vergeblich.

Berlins Generalstaatsanwalt ist in den Augen seiner Gegner ein gefährlicher Mann. Michel Friedman kann ein Lied davon singen. Denn Karges Alleingang ist es zu verdanken, daß Friedman unerwarteten Besuch von der Staatsanwaltschaft erhalten hat, der ihn nach Lage der Dinge seine Karriere kosten wird. Dabei hatte Karge es "vergessen", seine Kollegen in Frankfurt zu informieren. Warum aber, fragen Karge-Kritiker und Friedman-Freunde nun, ging Karge so drastisch gegen Friedman vor?

In Berlin geht folgende Verschwörungstheorie um: Rechte Justizkreise aus der Berliner FDP hätten Rache für ihren Parteifreund Jürgen Möllemann genommen, für dessen politischen Sturz Friedman zweifellos mitverantwortlich ist.

Wahr an dem Märchen ist, daß insbesondere in der Spandauer FDP namhafte Strafverfolger anzutreffen sind. Doch Generalstaatsanwalt Karge besitzt ein SPD-Parteibuch, und die drei mit den Ermittlungen beauftragten Staatsanwälte gehören alle nicht der FDP an. Ein liberaler Oberstaatsanwalt wiegelt ab: "Alles, was ich über den Fall Friedmann weiß, weiß ich aus der Zeitung."

Eine Staatsanwältin im Fall Friedman hat sogar im vergangenen Jahr auf dem "feministischen Juristinnentag" einen Vortrag zum Thema Menschenhändlerbanden gehalten. Geistige Nähe zu Jürgen Möllemann kann also kaum das Motiv der Strafverfolger und ihres Chefs sein. Doch kein Gerücht ist zu billig, um Karge zu demontieren. Dem Senat wiederum ist er aus ganz anderen Beweggründen ein Dorn im Auge. SPD und PDS hatten nach dem Berliner Bankenskandal mehr Härte bei der Verfolgung der Machenschaften der Bankgesellschaft Berlin erwartet.

Karge jedoch sah keine Möglichkeit, gegen die Verantwortlichen Anklage zu erheben. Das Anwaltmagazin zitierte ihn mit den Worten; "Nicht jede Sauerei ist strafbar."

Der Verdruß über das Ausbleiben spektakulärer Schauprozesse gegen CDU-Politiker wuchs ins Unermeßliche. Schließlich wählte die Parlamentsmehrheit den auf Lebenszeit gewählten Generalstaatsanwalt einfach ab. Der ging zum Verwaltungsgericht und erkämpfte ein Urteil, das seine Abwahl nichtig machte.

Unter der Leitung eines anderen Generalstaatsanwalts wäre der Fall Friedman möglicherweise ganz anders verlaufen. Der in Hessen geborene Karge werde schon gewußt haben, warum er die Frankfurter nicht eingeweiht hat, spekuliert ein weiterer Jurist aus dem FDP-Umfeld. Der 62jährige hatte vermutlich Angst, daß Friedman dann einen Tip erhalten hätte und die Hausdurchsuchung fruchtlos verlaufen wäre. 


 
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