© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/03 06. Juni 2003

 
Frisch gepresst

Schmittiana. Das erste Heft der "Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts" kam vor fast zwanzig Jahren in Brüssel in einer Publikationsreihe der dortigen Wirtschaftshochschule heraus, und auch die "Bausteine" zwei und drei konnte sich der deutsche "Schmittist" nur mit buchhändlerischer Mühe aus dem belgischen Ausland beschaffen. Der Band IV brachte in dieser Hinsicht eine Erleichterung, da von nun an der Berliner Verlag Duncker & Humblot, der Schmitts Werk betreut, verantwortlich zeichnete. Mit dem gerade erschienenen achten Band nimmt der Inspirator und alleinige Herausgeber des Unternehmens, Piet Tommissen - der Senior der internationalen Schmitt-Forschung, ein Verfechter des Positivismus strengster Observanz im von Schmitt-Feinden und -Freunden ideologisch heftigst umkämpften "Diskursfeld" - Abschied. Wie gewohnt gibt es auch in diesem Band kaum Deutungen, sondern Fakten, Zeugnisse, Dokumente. Herzstücke sind die von Tommissen edierten und wie immer mit Anmerkungen versehenen Briefe Schmitts an Julien Freund (1969-1980) sowie die Briefe von Paul Adams an einen der engsten Schmitt-Schüler: Günther Krauss (1931-1935). Auch Stefan Dornuf hält sich an Tommissens Focus-Credo ("Fakten, Fakten, Fakten ..."), würzt seinen Beitrag zur Schmitt-Rezeption nach 1945 aber zum Ergötzen des Lesers mit spitzen Attacken gegen den Geist der Zensur und der Gesinnungsprüfung, der unter Alt- und Neulinken seine hartnäckigsten Vollstrecker findet (Berlin 2003, 298 Seiten, 74 Euro).

 

Kirchenhistoriker. In die mittlerweile sehr lang gewordene Schlange der Wissenschaftler, die sich der "Vergangenheit" ihres Faches während der Zeit des Dritten Reiches angenommen haben, reihen sich nun auch die Kirchenhistoriker ein. Wer den hohen ideologisch-politischen Nutzwert von Religion in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bedenkt, wird solche wissenschaftshistorischen Anstrengungen kaum als randständig abtun dürfen. Zumal, wie die Herausgeber, die beiden Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann (Göttingen) und Harry Oelke (Kiel), in ihrem Vorwort zu einer Aufsatzsammlung über "Evangelische Kirchenhistoriker im Dritten Reich" (Chr. Kaiser Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2002, 392 Seiten, 44,95 Euro) betonen, in der Spätzeit der Weimarer Republik personelle, methodische und thematische Weichen gestellt wurden, die bis in die Gegenwart fortwirken. Das Versprechen freilich, dieses Segment protestantischer Bewußtseinsgeschichte "jenseits von Moralisierung" zu erforschen, halten weder die Herausgeber noch die anderen Beiträger in ihren Studien ein. Gleichwohl wird man eine Untersuchung wie die Kaufmanns über Erich Seeberg (1888-1945) als Pionierarbeit würdigen können, während Martin Ohsts Beitrag über Emanuel Hirschs Kriegserlebnis 1914/18 oder Hans Christof Brenneckes Analyse der "völkischen Deutung der Christianisierung" nach 1933 zum Teil bekannte Positionen der jüngeren Ideologieforschung verarbeiten.


 
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