© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/03 30. Mai 2003

 
Meldungen

Wahre Freiheit nur im Sozialstaat

MÜNCHEN. Die aktuelle Debatte über den "Umbau" des Sozialstaates belebt unter Politikwissenschaftlern die Lust, sich den "Urfragen" ihrer Zunft zu stellen. Darum wird auch wieder über "Freiheit und Sozialismus" gestritten. Für den an der Bremer Universität tätigen Politologen Andreas Wimmel scheint diese Frage kraft lokaler Tradition beantwortet: Neoliberale hätten gegen sozialstaatliche Interventionspolitik keine wirklich stichhaltigen Argumente. Denn selbst das "schwedische Modell" würde noch den authentisch liberalen Wert des Sozialstaates erweisen, da der sozialdemokratische Umverteilungsstaat den "Besserverdienden" keine substantiellen Freiheitsverluste zumute, während er großen Bevölkerungsteilen "einen erheblichen Zugewinn an persönlichen Handlungsfreiheiten" beschere. Gerade der Sozialstaat mache sich also um die "Maximierung individueller Freiheit" verdient. Wie nachhaltig hingegen die Freiheit der Lebensgestaltung in einem Gemeinwesen eingeschränkt werde, das neoliberalen Idealen gehorche, glaubt der am Deutschen Historischen Institut in Washington tätige Privatdozent Georg Schild in einer Fallstudie über das US-Sozialstaatsverständnis aufzeigen zu können ("Warum es in Amerika kein Kindergeld gibt"). In den USA würden Wohlstandsungleichheiten in einem Umfang gefördert, der sozial Bedürftige zu "Fremden im eigenen Land" herabstufe und sie aller Chancen menschenwürdiger individueller Lebensgestaltung beraube (Zeitschrift für Politik, Heft 1/03).

 

Der Charme der Ausnahmelösung

BERLIN. Angenommen, ein verhafteter Terrorist hat ein chemisches Kampfgas mit Zeitzünder deponiert und will das Versteck und den Tatort nicht preisgeben. Er droht, Tausende von Menschen zu töten. Ist es den Sicherheitsbehörden eines Rechtsstaates dann erlaubt, dem Mann sein Geheimnis mittels Folter zu "entlocken"? Das ist für Juristen keine akademische Frage mehr, seitdem der Frankfurter Vizepolizeichef Daschner dem Entführer Jakob von Metzlers Gewalt androhte, um den Aufenthaltsort des Kindes zu erfahren. Der Berliner Sozialwissenschaftler Stefan Wohanka nimmt dies zum Anlaß, das "Absolutum" grundgesetzlich geschützter "Menschenwürde" vorsichtig zu relativieren (Berliner Anwaltsblatt, 4/03). Wie die konkrete Situation gezeigt habe, sei ein Festhalten an "invarianten Rechtspositionen" nicht immer realitätstauglich. Folter sei zwar inakzeptabel, aber mit "singulären Durchbrechungen der Regel" müsse wohl gerechnet werden.


 
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