© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/03 30. Mai 2003

 
Neue Technologien: SARS
Die Natur hat noch allerhand auf Lager
Angelika Willig

Die großen Siege der Medizin über Infektionskrankheiten wie Pest, Cholera, Lepra und Tuberkulose sind nicht zuletzt Folgen einer verbesserten Hygiene. Das griechische Wort für Gesundheit heißt "hygieia". Doch wo Kinder Allergien ausbilden, weil sie kaum mehr mit Dreck in Berührung kommen, scheint es seinen Sinn zu verlieren. Das könnte sich nun wieder ändern.

SARS mag nur eine vorübergehende und ferne Bedrohung sein, doch David Heymann, Exekutivdirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, warnt: "Es wird in Zukunft viele dieser Seuchen geben." Wie kommt das? Der Erreger für das "Schwere Akute Atemwegssyndrom" ist kein Killervirus mit nie dagewesenen Qualitäten. Er gehört zur Familie der Corona-Viren, die auch harmlose Erkältungen auslösen. Wie die meisten neuen Viren ist er durch eine zufällige Mutation entstanden und foppt uns noch nicht mal, wie das Aidsvirus, durch ständig neue Mutationen.

Das Problem ist nur, daß virale Erkrankungen überhaupt schwer zu bekämpfen sind. Man freut sich ja beinahe, wenn man bei einer Erkältung starke Halsschmerzen bekommt, weil dann Antibiotika schnell greifen. Ist es aber "nur" eine virale Infektion, muß das Immunsystem selbst damit fertigwerden, und das dauert die berühmten sieben Tage. Oder denken wir an die Hartnäckigkeit von Herpesviren, die beinahe die Hälfte der Bevölkerung plagen, ohne daß die Medizin viel dagegen tun kann. Das sind Bagatellen. Doch ungern lassen wir uns in diesem Zusammenhang erinnern, daß auch gegen die Pest niemals ein sicher wirkendes Medikament gefunden wurde. Mit anderen Worten, erhöbe eine der alten Seuchen in Europa wieder ihr Haupt, würden wir alle ziemlich mau aussehen.

Das beste und sicherste Mittel gegen Viren bleibt die Vermeidung von Ansteckung. Was die Seuchen vertrieben hat, war die Hygiene; und was sie zurückbringt, ist die globale Verflechtung. Mit Medizin hat das erst in zweiter Linie zu tun. Immer schon versuchte man, durch Trennung und Quarantäne die Krankheit einzugrenzen. Dem "Aussatz" hat diese mitleidlose Handlungsweise sogar den Namen gegeben. Wer jetzt an SARS stirbt, hat vielleicht noch Glück gehabt. Unter dem Titel "Kosmos" gab es in den zwanziger und dreißiger Jahren eine Reihe von Büchlein zur naturwissenschaftlichen Volksbildung. Beim Antiquar ist uns der Band über "Tropenkrankheiten" in die Hände gefallen. Schön bebildert wird hier zum Beispiel das Elend ausgemalt, das eine jahrzehntelange Lepra-Erkrankung mit sich bringt. Auch dagegen gibt es bis heute kein sicheres Mittel. Die Tuberkulose mit ihrer bakteriellen Ansteckung ist gut behandelbar. Trotzdem verbreitet sie sich von Osteuropa ausgehend heute erneut. Wenn die Infektionskrankheiten wirklich wiederkommen, dann könnte es sein, daß das Problem der Arbeitslosigkeit bald aus den Schlagzeilen gerät.


 
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