© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/03 30. Mai 2003

 
Antitotalitarismus
Konsens des Verfassungsstaates
Dieter Stein

Hans-Helmuth Knütter hat in der JUNGEN FREIHEIT (21/03, 16. Mai 2003) die Totalitarismustheorie zur Disposition gestellt. Zumindest ihre praktische Anwendung in der Bundesrepublik Deutschland. Der antitotalitäre Konsens, in Westdeutschland nach 1945 geboren aus der doppelten Lehre aus Kommunismus und Nationalsozialismus, sei schon lange von links aufgekündigt worden, somit "der Antitotalitarismus in der Praxis gescheitert". "Heute leben wir in einer 'anderen Republik'", lautet das Resümee von Knütter.

Warum sieht er den Antitotalitarismus gescheitert? Weil Linke "hemmungslos, aber effektiv mit linken Extremisten kooperieren". Über diese Tatsache bemüht sich diese Zeitung so oft wie möglich aufzuklären. So haben wir als erste darauf hinweisen können, daß der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz bei einer angekündigten Fachtagung am 8. Oktober 2003 zum Thema "Die Neue Rechte - Eine Gefahr für die Demokratie?" eng mit ausgewiesenen Linksextremisten zusammenarbeitet und diese als Referenten geladen hat.

Aus Enttäuschung über das alltägliche Ungleichgewicht zwischen "Kampf gegen Links" und "Kampf gegen Rechts" zieht Knütter nun den überraschenden Schluß, die "Rechten" sollten sich nicht mehr "einreden lassen, sie müßten sich auch nach rechts abgrenzen".

Wenn er mit den "Rechten" die Unionsparteien meint, die mit ihrem Prinzip Schluß machen sollten, daß rechts von CDU/CSU keine demokratisch legitimierte Kraft geduldet werden dürfe und Unions-Politiker deshalb teilweise rabiater nicht nur gegen tatsächliche Rechtsextremisten, sondern sogar gegen jede nur mögliche vernünftige konservative oder rechte Alternative vorgehen, als dies SPD-Verantwortliche tun, so muß man ihm voll zustimmen. Oder wenn er die Neigung von bürgerlich-konservativen Publizisten und Politikern meint, sich klar auch als Konservative oder Rechte zu bekennen statt immer wolkig von "Mitte" zu reden. Dieser Eiertanz ist wirklich Ausdruck vorauseilender Unterwerfung unter eine totalitäre Wirkungen zeitigende linke Hegemonie in Staat und Gesellschaft.

Leidenschaftlich widersprechen muß man jedoch seiner Absage an den Antitotalitarismus, der, weil er von links aufgekündigt werde, nun auch locker rechts über Bord geworfen werden könne.

Das Gegenteil ist hingegen notwendig: Der Antitotalitarismus ist die wesentliche Grundentscheidung eines freiheitlichen Gemeinwesens. Er beinhaltete die Notwendigkeit, gegen totalitäre Bestrebungen jeder Art, die die Freiheit beseitigen wollen, vorzugehen. Statt den Antitotalitarismus aufzugeben, sollten die Konservativen, die Rechten diese Frage viel entschiedener zu einer Auseinandersetzung mit jener Linken machen, die mit Linksextremisten paktiert. Der Antitotalitarismus muß als der gemeinsame Nenner aller Kräfte in einem Verfassungsstaat verteidigt werden. Gerade weil im Namen eines gelegentlich mißbräuchlichen "Verfassungsschutzes" der antitotalitäre Konsens beschädigt wird.


 
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