© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/03 09. Mai 2003

 
Vermintes Gelände
Kulturelle Überfremdung: Ein Aufkleber sorgt für Wirbel
Thomas Paulwitz

Der Verein Deutsche Sprache im Sog des Antiamerikanismus? Der Focus meldet über den VDS-Vorsitzenden: "Walter Krämer attackiert neuerdings die USA". Denn dieser hat den "Kampf gegen Denglisch" ausgeweitet und "die Amerikaner" angegriffen. Ohne Furcht vor dem Vorwurf der Pauschalverurteilung erklärt Krämer in den Sprachnachrichten, der Vereinszeitung des VDS: "Liebe Amerikaner, arbeitet erst einmal Eure eigene Vergangenheit auf, den Sklavenhandel und den Völkermord an den Indianern, den Bombenterror auf Hiroshima und Dresden, statt als selbstgerechte Moralapostel den Rest des Universums zu belehren, dann lassen wir uns gern von Euch etwas über Kultur und Moral erzählen."

Damit weist Krämer nicht nur die Schuld für die Amerikanisierung weg ins Ausland, sondern wagt sich auch auf politisch vermintes Gebiet, denn er kritisiert hier mittelbar eine bestimmte Form der Geschichtsvermarktung, die auch besonders in Amerika betrieben wird. Entfernt sich der VDS mit dieser Ausweitung seiner Ziele zu weit von seinem Hauptanliegen? Während die offiziellen "Sprachpolitischen Leitlinien" des Vereins sich nur gegen die "Amerikanisierung der Sprache" wenden, ist nun auch die gesamte Kultur, die "Lebensart" (Krämer) ins Aktionsfeld der Sprachschützer geraten. Im Grunde ist das folgerichtig, denn die Sprache gehört nun einmal zur Kultur.

Der neuesten Ausgabe der VDS-Zeitung liegt ein Aufkleber mit der Forderung bei: "Stoppt die Amerikanisierung unserer Sprache und Kultur!" In seiner Kolumne "der Vorsitzende meint" wünscht sich Walter Krämer: "Es wäre schön, wenn dieser Aufkleber bald auf Hunderttausenden von deutschen Autos klebte". Es gebe"keinen Anlaß, vor den selbsternannten Hütern von Freiheit und Gerechtigkeit jenseits des Atlantiks irgendeine Demutshaltung einzunehmen."

Die Einstufung der Amerikaner als "selbstgerechte Moralapostel" trifft im Verein nicht überall auf Gegenliebe. Krämer teilt mit, daß "einige Mitstreiter" meinten, der Aufkleber sei antiamerikanisch. Und so wollen einige VDS-Regionalleiter den Aufkleber nicht verteilen. VDS-Vorstandsmitglied Peter Ambros sah sich zu der Beschwichtigung veranlaßt, daß es sich nur um die "persönliche Meinung" Walter Krämers handele. Es werde "keine Richtung vorgegeben". Andere Vereinsmitglieder sind hingegen begeistert und bezweifeln, daß mit dieser Aktion nur ein billiger Sündenbock gefunden werden soll.

Gewiß darf man es sich nicht zu leicht machen und allein die Vereinigten Staaten bzw. "die Amerikaner" für die Amerikanisierung Deutschlands verantwortlich machen. Die Amerikanisierung wird hierzulande ja nicht nur von der "amerikanischen Kulturindustrie" (Krämer) oder von McDonald's und Coca Cola betrieben, die Krämer ausdrücklich nennt, sondern gerade und vor allem von deutschen Großkonzernen wie Deutsche Bahn, Deutsche Post ("World Net") und Deutsche Telekom. Fernsehen und Lichtspielhäuser sind außerdem nicht gezwungen, Hollywoodfilme zu zeigen. Niemand ist genötigt, bei McDonald's zu essen statt bei deutschen Schnellimbißketten wie "Nordsee". Statt an "Coca Cola" kann sich jeder an die deutsche "Afri-Cola" halten. Auch der deutsche Rundfunk ist nicht von den Vereinigten Staaten dazu verpflichtet worden, überwiegend englisch vertonte Musik zu spielen. Doch es ist klar, daß es ohne das monopolige Amerika selbstverständlich nicht diese Amerikanisierung gäbe.

Auch die Zeitschrift Deutsche Sprachwelt hatte die in den vergangenen Monaten faßbarer gewordene Amerikanisierung aufgegriffen, der Rumsfeldschen Geringschätzung des "alten Europas" jedoch die konstruktive Antwort "lebendiges Deutsch!" entgegengesetzt, und damit auf der Leipziger Buchmesse großen Zuspruch erfahren. Daß der Schlüssel im Kampf gegen die Amerikanisierung unserer Sprache und Kultur nicht jenseits des Atlantiks, sondern daheim liegt, weiß auch Walter Krämer, denn er erklärt: "Noch ist Deutschland kein Bundesstaat der USA. Es wird höchste Zeit, daß wir Europäer und insbesondere auch wir Deutschen uns wieder auf die eigenen Stärken besinnen."

 

Thomas Paulwitz ist Schriftleiter der viermal im Jahr in Erlangen erscheinenden Zeitung "Deutsche Sprachwelt". Weitere Informationen im Internet unter www.deutsche-sprachwelt.de 


 
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