© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/03 09. Mai 2003

 
Kolumne
Völkerrecht?
Klaus Hornung

Alle Welt - jedenfalls in Europa - zetert gegenwärtig über den Völkerrechtsbruch durch die Irak-Intervention der USA und Großbritanniens. Die Amerikaner sehen das ganz anders: Die Vereinten Nationen hätten sich mit 17 Resolutionen gegen Saddam, denen keine Taten folgten, selbst lächerlich, wenn nicht überflüssig gemacht - wie seinerzeit der Völkerbund selig gegenüber Hitler, Mussolini und den Japanern.

In der Tat: Wenn nur eine der fünf Mächte des Weltsicherheitsrates ihr Veto einlegt, ist dieses Gremium, das formell über das völkerrechtliche Gewaltmonopol verfügt, gelähmt, nicht handlungsfähig. Unser Völkerrecht agiert und argumentiert auf einem überaus dünnen Fundament. Dieser Rat ist eben kein Areopag der Götter, sondern selbst ein sehr irdisches Organ eines labilen Völkerrechts. Das sollte man ebenso zur Kenntnis nehmen wie seine derzeitige mangelnde internationale Repräsentativität, die zwar den Ausgang des Zweiten Weltkrieges vor einem halben Jahrhundert widerspiegelt, aber keineswegs die heutige globale Kräfteverteilung. Außer von China ist Asien nicht vertreten, etwa durch die großen, bevölkerungsreichen Staaten Indien, Pakistan (beide auch Atommächte) oder Indonesien. Gleiches gilt für Afrika mit den großen Mächten Nigeria oder Südafrika und vollends für das überhaupt nicht repräsentierte Lateinamerika (etwa durch das Hundertmillionen-Land Brasilien).

Dieser Weltsicherheitsrat gleicht also aus verschiedenen Gründen einem hölzernen, stumpfen Schwert des Völkerrechts. Sobald vitale Interessen eines seiner fünf Mitglieder ins Spiel kommen, ist er faktisch nicht handlungsfähig, muß er faule Formel-Kompromisse suchen. Das beruhigt und fasziniert natürlichdie bequem gewordenen, wohlstandspazifistischen Massen West- und Mitteleuropas, die von internationalen Herausforderungen möglichst ungeschoren bleiben wollen. Dagegen kann und will eine Weltmacht wie die USA sich eine solche Handlungsfähigkeit nicht leisten. Grund genug für die betreffenden Europäer, ihre gesinnungsethische Waffe des erhobenen moralischen Zeigefingers ins Spiel zu bringen. Europa wird erst dann eine relevante weltpolitische Rolle spielen können, wenn es auch militärisch wieder ein potenter Faktor würde. Aber gerade das verhindert der Wohlstandsanspruch seiner Demokratien, und so bleibt alles beim Alten und damit bei "George Dabbelju". Verantwortliche Politik hat noch immer ihren Preis. Und das ist wahrlich gerecht.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung ist Politikwissenschaftler und Präsident des Studienzentrums Weikersheim.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen