© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/03 25. April 2003


Leserbriefe

Zu: "Warten auf den Kollaps" von Paul Rosen, JF 16/03

Flickschusterei

Es ist ein Ammenmärchen, wenn uns die Herren Hundt und Rogowski immer wieder einreden, die Sozialbeiträge seien zu hoch. Die Wahrheit ist, daß die hochtechnisierte Industrie mit immer weniger Personal die Umsätze und Gewinne ständig steigern konnte, daß sie lediglich zwischen acht bis zehn Prozent (gemessen am Umsatz) an Sozialbeiträgen entrichtet und die Steuern weit unter zehn Prozent liegen. Dafür jedoch verdient ein Vorstandsmitglied soviel wie 30, 40 bis 60 (in einer Firma sogar 160) seiner Mitarbeiter. Belastet sind außer den Beschäftigten die lohn- und personalintensiven Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe und der Mittelstand. Ein System, das die Arbeitnehmer ausquetscht wie die Zitronen, kann nicht erwarten, daß dann noch viel Spielraum für Eigeninitiative bei den Vorsorgemaßnahmen bleibt. Zumal diejenigen, die Selbstvorsorge betreiben wollen, durch ständige Erhöhung von Steuern und Abgaben oder Androhung von Besteuerung der Lebensversicherungen bestraft werden. Legt man diese veränderten Maßstäbe zugrunde, stellt man sehr schnell fest, wie von allen bisherigen Regierungen in unserem Lande seit Jahrzehnten Flickschusterei betrieben wird.

Monika Ewert, Aschaffenburg

 

Diktat am Ende

Weder Kanzler Schröder, noch die nachgeborenen "Staatslenker" werden die Vollbeschäftigung erreichen; alles Gerede darüber läßt die gegenläufige demographische und hochtechnische Entwicklung außer acht. Was dann folgt, ist bekannt: Viele werden zu Dauerarbeitslosen, belasten die Sozialkassen und dienen nur noch als Objekt der Kaufkraftabschöpfung durch die Industrie, die immer neue Konsumentenmassen benötigt, um ihre Überproduktionen absetzen zu können; natürlich immer mit der scheinheiligen Feststellung, daß man die Arbeitsplätze sichern bzw. erhalten will. So ist es kein Wunder, wenn gewisse Politiker behaupten, daß man zur Sicherung der Renten usw. ausländische Einwanderer benötigt, während man gleichzeitig die Zuwanderung Deutschstämmiger aus der ehemaligen SU begrenzt. Am Ende steht wohl das Diktat. Besser wäre ein offenes Wort, verbunden mit der Einsicht der Regierenden, daß ihre Selbstbedienungsmentalität sicherlich nicht zur Hebung ihres Ansehens, sondern eher zu Zorn und Verzweifelung im Volk beiträgt. 

Theodor Finke, Bremen

 

 

Zu: "Religionfreiheit ist kein Totschlagargument" von Volker Kempf, JF 16/03

Rechtswidrige Volksverdummung

Betäubungsloses Schächten bedeutet eine zusätzliche und vorsätzlich zugefügte, tierschutzgesetzwidrige, grauenvolle Tierquälerei beim Schlachten - und steht absolut religionskonträr zu den Heiligen Schriften des Judentums und des Islam, die bindend eine tierschonende Schlachtung vorschreiben. Vielfach liegen religionswissenschaftliche, gutachterliche Stellungnahmen von hohen Religionsführern und Ämtern vor, die unisono eine reversible Elektrobetäubung vor dem Schächten, als konform mit den Religionsvorschriften erklären. Betäubungsloses, anachronistisches Schächten leistet gesellschaftlicher Verrohung Vorschub, desavouiert die Mehrzahl der hier um Integration bemühten Gläubigen und Bürger und ist weder mit dem Begriff "Religion", noch mit der hier geltenden Verfassungsethik zu subsumieren. Wer von Administration und Justiz mit heutigem Wissensstand, nach heutiger Gesetzeslage, noch den bequemen Weg des geringsten Widerstandes geht und betäubungslosem Schlachtbegehren rückgratlos nach dem Munde redet, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, gezielte, rechtswidrige Volksverdummung zu betreiben.

Ulrich Dittmann, Kirchheimbolanden

 

 

Zu: "Was ist rechts?" von Günter Zehm,

JF 16/03

Dazulernen

Günter Zehm beschreibt zwar treffend, daß die Begriffe "rechts" und "links" in der Politik immer mehr verwischen und versucht statt dessen, sie einem bestimmten Menschentypus zuzuordnen. Leider ist jedoch diese Sichtweise genauso simpel wie die politische: Auf einer eindimensionalen Linie werden Menschen nach Schwarz-Weiß eingeteilt: "Der Rechte ist..." Es klingt so, als habe er versucht, sich selbst zu charakterisieren. Zudem möchte ich zum Beispiel der These widersprechen, "dem Rechten" wäre die Bekehrung anderer Menschen im Namen einer Ideologie grundsätzlich verhaßt. Herrn Zehm mit Sicherheit, aber man braucht sich nur die Sprüche einiger "rechter" Betonköpfe anzuhören. Lebensnähe? Verbohrtheit, möchte ich meinen. Das Rechts-links-Denken hat meiner Ansicht nach in einer Welt von heute ausgedient. Nicht erst seit Schröders dümmlichem "Kampf gegen Rechts" trennt es vor allem junge Menschen voneinander, die besser zusammenarbeiten sollten, und hetzt sie gegeneinander auf. Umgekehrt schafft es zweifelhafte Bündnisse zwischen "Gleichgesinnten", die sich von ihren Charakteren und ihrem Menschenbild her völlig entgegenstehen.

Wir müssen lernen, andere nicht nach "rechts" und "links" zu be(vor)urteilen, sondern nach aufrichtig und unaufrichtig, arrogant und zurückhaltend, tolerant und intolerant, verbohrt und offen. Nötig sind Menschen, die unsere aktuellen Probleme, seien es soziale oder ökologische, erkennen und unbefangen angehen können, ohne in kindischem Lagerdenken zu verharren. Natürlich brauchen wir Standpunkte und Werte, an denen wir unser Handeln ausrichten können, aber diese müssen sich an der Sachlage orientieren, ohne an eine Ideologie gekettet zu sein; folglich fallen die Entscheidungen mal so, mal so aus. Das erschwert zunächst die Orientierung, aber nur so eröffnen sich neue Lösungen, die eine Welt von morgen bitter nötig hat. Die alten Denkweisen, allen voran die des "rechts-links", haben offensichtlich versagt.

Ingmar Pätzold, Weikersheim

 

Mit Absicht verschwommen

Wir leben doch in einer Zeit, in der die Verschwommenheit von Begriffen geradezu zum System gehört, und dabei denke ich nicht nur an die vielen irritierenden Wortbildungen mit "anti". So ganz nebenbei gelingt es Zehm zudem, die sogenannten "Neocons" als Kriegstreiber und Welteroberer übelster Art zu entlarven.

Für diese Leute - ihre Namen sollte man sich merken, denn sie werden, so wie sich die Lage darstellt, noch viel Unheil anrichten - ist Herr Bush also nur Marionette, und sie werden nirgendwo in der Welt vor "Interventionen" zurückschrecken, solange das entsprechende Land strategisch interessant, voller Bodenschätze und militärisch schwach genug ist.

Vielleicht ist so auch zu erklären, warum man den Irak-Krieg 1991 so abrupt abgebrochen hat: Der Gegner war damals noch zu stark und damit gefährlich, während er im Jahr 2003 weder für die USA noch die Nachbarstaaten eine Bedrohung hätte werden können.

Hartmut Jakob, per E-Post

 

 

Zu: "Das Ende der Illusionen" von Alexander Griesbach, JF 15/03

Der Fund fehlt

Es fehlt noch der Giftgasfund - der Nachweis der im Land verborgenen Massenvernichtungswaffen! Macht er doch den Kriegsgrund deutlich, ohne den auch eine Supermacht die übrige Welt auf die Dauer nicht für ihre Unternehmen einzuspannen vermag. Dieser Fund soll zum einen Hans Blix bloßstellen und mit ihm die von so vielen menschenfreundlichen Skrupeln geplagte Uno. Zudem würde sich nach der werbewirksam in Szene gesetzten und von gut belohnten irakischen Wissenschaftlern erläuterten Veröffentlichung dieses "Fundes" so mancher ehrliche Bürger fragen, ob seine bedingungslose Verurteilung des Raubkrieges wohl richtig war! Daß die Friedensstreiter dann am Ende doch recht behalten, das wird sich wohl erst in 10 oder 20 Jahren herausstellen: wenn dieser Fund als ein großangelegter, vom Geheimdienst inszenierter Schwindel entlarvt worden ist. Doch dann ist die Sache längst gelaufen; das "Rad der Geschichte" hat sich, von der Gewalt und der Lüge angeschoben, bis dahin so weit gedreht, daß die Veränderungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Richard Helm, München

 

Bizarre Allianzen

Im Rahmen des stereotyp antiamerikanischen Gezeters (leider auch sehr penetrant in der JF) entstehen die unglaublichsten Allianzen: Sie reichen von den chronischen Altnazis mit deutschen Hegemonieträumen zu den lauten linken Friedensbewegten, über Herrn Schröder und Konsorten bis hin zu westfeindlichen arabischen Terroristen.

Es scheint jede noch so bizarre Allianz recht, solange es nur gegen die Amerikaner und mit kaum noch gebremstem Schaum vor dem Mund gegen den vermeintlichen Erzfeind Bush und die angeblich stets mitverschwörenden Israelis geht. Die Moslems lachen sich ins Fäustchen darüber, daß Gruppen ihres eigentlich mächtigen Clash-of-Cultures-Feindes sich ihnen anbiedern, ihnen das Wort reden und damit die einzige Kraft schwächen, die entschlossen und tapfer genug ist, ein Bollwerk gegen den aggressiven Islam und dessen brutal rücksichtslose, da sendungsbewußte Ideologie zu bilden. So krakeelen sie in einem eigenartigen Chor, die Gutmenschen von der Straße, die Linksextremen, die eingewanderten Moslems, die Altnazis, die abgedrehte Regierung dieses Landes, gemeinsam an unserem Grab schaufelnd. Deutschland, westliche Kultur: Wach auf! Aber eher schnell.

Dr. Rainer Brorsen, Hamburg

 

 

Zu. "Nibelungentreue Union" von Carl Gustaf Ströhm, JF 15/03

Gegensätze

Im Artikel wird über Frau Merkels Gründe für die Treue zur USA spekuliert. Diese Aspekte halte ich jedoch nicht für ausschlaggebend. Vielmehr hat Frau Merkel wohl immer noch nicht die Aufgaben einer Opposition begriffen. So definiert sie ihre Aufgabe wahrscheinlich ausschließlich darüber, grundsätzlich genau die gegensätzliche Auffassung der Regierung haben zu müssen. Ich habe mir die Frage gestellt, wie Merkels Union reagiert hätte, wenn Schröder nun mit Deutschland zur "Koalition der Willigen" zählen würde. Ein Aufschrei des Entsetzens wäre wohl gerade aus dieser Ecke gekommen. Diese grundsätzliche, blinde Ablehnung aller Vorhaben und Standpunkte der Bundesregierung halte ich vielmehr für den wahren Grund.

Florian Christof, Würzburg

 

 

Zum Interview mit Dr. Corelli Barnett "Die Amerikaner lächeln nur milde", JF 15/03

Wir sind keine Indianer!

Jawohl, der Imperialismus der Briten war anders als der heutige amerikanische. Die Engländer sind intelligenter als die Amerikaner. Sie verstanden es besser zu heucheln, und haben es besser verstanden, ihren (Un)taten demokratische Mäntelchen der christlichen Nächstenliebe und Menschlichkeit umzuhängen. Sie haben versucht, sich in die Mentalität anderer Völker hineinzuversetzen und sich immer gefragt, wie wirkt unser Verhalten auf die Weltöffentlichkeit.

Die weniger intelligenten Amerikaner können sich in ihrer Arroganz angesichts ihrer Wirtschaftskraft und ihrer technischen Überlegenheit und im Gefühl ihrer riesigen Rüstung gar nicht in die Mentalität anderer Völker hineinversetzen. Sie glauben immer noch, wie ihre Vorfahren im Wilden Westen, sie hätten es mit Indianern zu tun. 

Fritz Hübner, Köln

 

 

Zu: "Patrioten und Nicht-Patrioten" von Paul Gottfried, JF 15/03

Begriffe

Mit großem Interesse habe ich die Antwort von Paul Gottfried auf Pat Buchanan gelesen. Bei der Suche nach weiteren Informationen über die "Neocons" bin ich ausgerechnet im Französisch-Wörterbuch unter "con" fündig geworden und konnte dabei feststellen, daß es nicht nur Freudsche Versprecher gibt, sondern auch derartige Abkürzungen. Ein echter Konservativer, der Bewährtes - auch mit neuen Mitteln - erhalten will, ist mir allemal lieber als ein neuer "Con", der mit den ältesten Mitteln (und dazu zählt nun einmal das Faustrecht) eine Welt nach seinen Vorstellungen erzwingen will. Man sollte überhaupt beginnen, die politischen Gruppen nicht nach links und rechts zu unterscheiden, sondern nach konservativ und "con". Dann stellt man ganz schnell fest, daß in sogenannten progressiven Parteien manchmal konservativer gedacht wird, als in jenen, die man irrtümlich für konservativ hält - und umgekehrt. 

Gerd Trepte, Berlin

 

 

Zu: "Alles suggeriert und nichts direkt behauptet" von Stefan Scheil, JF 15/03

Vergessene Tatsachen

Der Artikel befaßt sich mit der überarbeiteten Wehrmachtsausstellung und vergleicht den vorgesehenen Verpflegungssatz für in deutsche Gefangenschaft geratene Kriegsgefangene (2.000 Kalorien) mit den Verpflegungssätzen im Nachkriegsdeutschland (775 Kalorien). Abgesehen davon, daß es sich um theoretische Werte handelt die sicherlich gegebenenfalls unter-, möglicherweise aber auch überschritten wurden, gab es in Gebieten in Deutschland - gemeint ist Ostdeutschland - null Kalorien. Erschwert wurde das Überleben der Menschen noch dadurch, daß die "Befreier" der Bevölkerung die Lebensgrundlage entzogen, indem sie alles Vieh entweder nach Osten abtransportierten oder abschlachteten. So hatten sich in diesen Gebieten bestenfalls hier und da eine Ziege erhalten und ein paar Kaninchen. Das im Herbst 1944 angebaute Wintergetreide mußte von deutschen Zwangsarbeitern gemäht und gedroschen werden und wurde ebenfalls nach Osten verfrachtet. So gesehen waren Zuteilungen von 2.000 Kalorien täglich paradiesische Zustände, von denen wir nicht einmal zu träumen wagten. Aber wen interessiert das schon? Am allerwenigsten sicherlich die Macher der neuen Wehrmachtsausstellung.

Bernhard Kaiser, Halle/Westfalen


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