© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/03 18. April 2003


Olympia 2012: Warum Leipzig die bessere Wahl sein kann
"Gemiedlische" Sommerspiele
Steffen Königer

Ä dännschen plies", könnte es bald öfter erschallen. Ein Sachse beim Weihnachtsbaumverkauf ist es dann wohl nicht - eher ein Starter bei den hundert-Meter-Läufen der olympischen Sommerspiele 2012 in Leipzig. Da der wunderbarste Kanzler aller Zeiten das Ergebnis am letzten Samstag verkünden durfte, war sich die politische Welt mit der sportlichen einig: Gerhard Schröder hat jetzt seinen Aufbau Ost! Was veranlaßte die Funktionäre des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) bloß, die 500.000 Einwohner-Stadt als Bewerber gegen Giganten wie New York, Paris, London oder Rio de Janeiro antreten zu lassen? Hofft man auch beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) auf einen David-gegen-Goliath-Effekt? Vielleicht lag es am Motto, das mit "Spiele mit uns" nicht nur zweideutig, sondern sehr schlicht und eben echt sächsisch "gemiedlisch" klang. Daß die Hansestadt mit "Feuer und Flamme für Hamburg 2012" dann im Stechen mit der Messemetropole das Nachsehen hatte, kann den NOK-Mitgliedern kaum übelgenommen werden. Schließlich klang dieses Motto mehr nach einer geplanten Sauerei der Hausbesetzerszene oder einer Bomber-Harris-Planung "Gomorra II".

Leipzig, das Goethe schon als sein "Klein-Paris" lobte, ist nicht die schlechteste Wahl: Zu Zeiten des realexistierenden Sozialismus eröffnete man 1956 schließlich das mit 100.000 Sitzplätzen ausgestattete Zentralstadion - das größte Europas! Also sind die neuen Bundesländer sozusagen mehr ein "Hort des Sports", als die alten es jemals waren. Ja, das waren noch Zeiten, in denen der Sport als das Aushängeschild der deutschen Nation gedient hat. Nicht nur altgediente SED-Kader schwelgen in Erinnerungen. Die Partei- und Staatsführung stürzte sich mit Vehemenz auf den Sport. Undenkbar, daß die Bundesrepublik auch nur einmal im Medaillenspiegel vor den (auch manchmal mit unfairen Mitteln gedopten) DDR-Sportlern lag. Undenkbar aber auch, daß in dem 17-Millionen-Völkchen jemand murrte, wenn es um den Sport ging.

Ganz anders im geeinten Deutschland: Erinnert sich noch jemand an die Pleiten-, Pech- und Pannenserie um die Olympiabewerbung von Berlin? Selbst eingefleischte Sportler meinten: "Olympia, na klar, aber so doch nicht!" Die "Nolympia-Bewegung", bei der gewaltbereite Autonome allen Olympioniken mit einem Molotow-Cocktail in der Hand einen "warmen Empfang" androhten und die völlig plan- und kopflose Clique um Axel Nawrocki, die Millionen verschleuderte, ließen Berlin im September 1993 schon in der ersten Runde des IOC-Entscheides rausfliegen.

Daß sich so etwas mit Leipzig nun wiederholen könnte, darauf sollte man glatt wetten: der Staat wird - wie schon vor zehn Jahren - lieber für sinnlosere Projekte Gelder hinauswerfen, als für ein Fest der Völker. Zwar läuft diesmal niemand Gefahr, sich in irgendwelche Traditionen zu stellen (die Berliner Bewerbung hatte ständig den Vergleich mit 1936 auszuhalten), aber von der "Turnschuhgeneration" sitzen schließlich viele in der Regierung. Obwohl der Vorsitzende der Sportministerkonferenz, Gerry Kley, darauf hinwies, daß 70 Prozent aller deutschen Sportstätten sanierungsbedürftig sind, wird es wohl nichts mit deren Sanierung durch Spiele im Jahr 2012, denn sonst gehen Kanzler Gerhard Schröder die "Aufbau-Ost" Projekte aus: 2016 Potsdam, 2020 Magdeburg, 2024 Gera ... 


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