© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/03 28. März 2003

 
Ständiger Krieg für ständigen Frieden
US-Außenpolitik: Eine neokonservative Clique will den Vereinigten Staaten eine Serie von Kriegen aufzwingen, die nicht im amerikanischen Interesse liegen / Kritikern wird Antisemitismus vorgeworfen
von Patrick J. Buchanan

Die Kriegspartei mag ihren Krieg bekommen haben. Daneben hat sie aber auch etwas anderes bekommen, was ihr weniger gut in den Kram paßt. Die Namen ihrer Mitglieder und deren Verbindungen sind offengelegt, ihre Motive hinterfragt worden. In einem für US-amerikanische Medien eher seltenen Moment stellte Tim Russert dem Vorsitzenden des Pentagon-Beratergremiums Defense Policy Board, Richard Perle, folgende Frage: "Können Sie dem amerikanischen Publikum versichern (...), daß wir uns in dieser Situation bezüglich Saddam Hussein und seiner Beseitigung befinden, um amerikanische Sicherheitsinteressen zu wahren? Und inwieweit besteht ein Zusammenhang mit Israel?"

Damit war der Bezug zu Israel auf den Tisch gebracht, und das findet die Kriegspartei überhaupt nicht witzig. Angesichts dieses unerwarteten Sperrfeuers verhalten sich unsere neokonservativen Freunde ihrer Natur gemäß und ersuchen um politischen Wehrpflichterlaß, indem sie sich auf ihren Status als verfolgte Minderheit berufen. Man sollte meinen, daß Menschen, die für sich in Anspruch nehmen, den außenpolitischen Kurs der einzigen Weltmacht anzugeben, sich im Schulhof der Politik ein wenig männlicher aufführen würden. Schön wär's.

Max Boot, früherer Chefredakteur des Wall Street Journal, trat die Kampagne los. "Wenn diese Buchanan-Anhänger mit dem Begriff 'neokonservativ' und mit Namen wie Wolfowitz und Cohen um sich schmeißen, dann klingt es manchmal, als meinten sie in Wirklichkeit 'jüdische Konservative'." Dennoch gesteht Boot bereitwillig ein, daß eine leidenschaftliche Beziehung zu Israel zu den Schlüsselgedanken des amerikanischen Neokonservatismus gehört. Weiter behauptet Boot, Präsident Bush hätte seine Strategie der nationalen Sicherheit unmittelbar der Zeitschrift Commentary entnehmen können. (Für Uneingeweihte: Commentary, die neokonservative Bibel, in der Boot göttliche Eingebung sucht, ist die Monatsschrift des American Jewish Committee.)

David Brooks vom Weekly Standard jammert, die Angriffe wegen der Israel-Verbindung hätten ihn durch eine persönliche Hölle geführt: "Meine E-Post, mein Anrufbeantworter und mein Briefkasten sind voll von antisemitischer Hetze. (...) Der Antisemitismus blüht und gedeiht. Bloß geht er nicht mehr vorrangig von der ultrakonservativen Rechten aus, sondern von Linken im Umfeld der Friedensbewegung."

Washington Post-Kolumnist Robert Kagan muß seine Vorhölle im Ausland erdulden: "In London (...) trifft man auf das Phänomen, daß die klügsten Köpfe Großbritanniens in gebildeter Sprache und mit klangvollen Oxbridge-Akzenten die Verschwörungstheorien des Pat Buchanan verbreiten: Die Neokonservativen (sprich: Juden) hätten die amerikanische Außenpolitik in ihre Gewalt gebracht."

Kritikern wird reflexartig Antisemitismus vorgeworfen

In der New Republic wirft Lawrence Kaplan unserer kleinen Zeitschrift vor, The American Conservative habe "sich in ein Forum jener verwandelt, die behaupten, Präsident Bush sei zum Klienten (...) Ariel Scharons und der neokonservativen Kriegspartei geworden."

Mit Bezug auf Charles Lindbergh beschuldigt er Paul Schroeder, Chris Matthews, Robert Novak, Georgie Anne Geyer, Jason Vest von The Nation und Gary Hart, sie hätten angedeutet, daß Mitglieder der Bush-Regierung geteilte Loyalitäten zeigten, indem sie nach Israels Pfeife tanzten. Kaplan donnert: "Das eigentliche Problem mit derlei Behauptungen ist nicht bloß, daß sie unwahr sind. Das Problem ist, daß sie giftig sind. Das Gespenst einer geteilten Loyalität heraufzubeschwören, um Kritik und Diskussion abzuwürgen, bedeutet mehr als die alltägliche Verschmutzung des öffentlichen Diskurses. Es bedeutet die Auslöschung des öffentlichen Diskurses, denn wie soll man Vorwürfe entkräften, die auf Ethnizität basieren? Solche Vorwürfe lassen sich ipso facto nicht widerlegen. Und genau deswegen werden sie erhoben."

Worum geht es hier? Mickey Kaus bringt es in einer Schlagzeile in Slate auf den Punkt: "Lawrence Kaplan spielt die antisemitische Karte aus". Kaplan, Brooks, Boot und Kagan tun genau das, was Jesse Jackson macht, wenn er mit einer Riesenspende von einer Firma erwischt wird, die er unlängst der Diskriminierung bezichtigt hat. Jackson spielt den Rassentrumpf aus. Genauso versuchen die Neokonservativen sich ihrer Kritiker zu erwehren, indem sie deren Charakter in den Schmutz ziehen und ihre Motive anzweifeln.

Giftig ist in Wirklichkeit der Vorwurf des Antisemitismus selber. Denn diese respektable Form der Hetze eignet sich hervorragend, den öffentlichen Diskurs auszulöschen. Gegner werden verunglimpft und eingeschüchtert, zensiert und mundtot gemacht, ebenso wie diejenigen, die ihre Ansichten zu veröffentlichen wagen. Die Neokonservativen sagen, wir greifen sie an, weil sie Juden sind. Das stimmt nicht. Wir greifen sie an, weil ihre Kriegstreiberei unser Land bedroht, mag sie bei Ariel Scharon auf noch soviel Gegenliebe stoßen.

Und diesmal haben die Jungs einmal zu oft Alarm geschlagen. Es nützt ihnen nichts mehr. Wie Kaus bemerkt, schreibt in Kaplans New Republic auch der Harvard-Professor Stanley Hoffman. Hoffman spricht von vier Machtzentren in der amerikanischen Hauptstadt, die allesamt lauthals nach Krieg schreien, und beschreibt das vierte Machtzentrum folgendermaßen: "Und schließlich wären noch die lose miteinander verbundenen Freunde Israels zu nennen, die glauben, die Interessen des jüdischen Staates seien mit denen der Vereinigten Staaten identisch. Diese Analytiker betrachten die amerikanische Außenpolitik durch die Linse einer dominierenden Sorge: Ist sie gut oder schlecht für Israel? Seit der Gründung dieses Staates im Jahr 1948 waren Denker dieser Richtung im Außenministerium nie besonders gerne gesehen, aber mittlerweile haben sie sich im Pentagon häuslich niedergelassen: Strategen wie Paul Wolfowitz, Richard Perle und Douglas Feith."

Wenn Stanley Hoffman so etwas sagen darf, fragt Kaus, warum darf Chris Matthews es nicht? Kaus fügt hinzu, Kaplan sei irgendwie das Kunststück gelungen, den vernichtendsten Beweis einer Verbindung zwischen den Neokonservativen und Scharons Likud-Partei zu übersehen.

Ein Krieg im Nahen Osten wäre eine Katastrophe

In einem Washington Post-Aufmacher vom 9. Februar zitiert Robert Kaiser ein hochrangiges Mitglied der Bush-Administration mit der Aussage, die Likudniks hätten nun endgültig die Kontrolle an sich gerissen. Neben Perle, Wolfowitz und Feith nennt Kaiser David Wurmser aus dem Verteidigungsministerium und Elliott Abrams vom Nationalen Sicherheitsrat als Mitglieder eines pro-israelischen Netzwerkes innerhalb der Regierung. (Abrams ist der Schwiegersohn von Norman Podhoretz, dem ehemaligen Chefredakteur von Commentary, dessen Zeitschrift Israel-Kritiker seit Jahrzehnten als Antisemiten brandmarkt.)

Kaiser weist darauf hin, daß Scharon sich immer wieder auf eine besondere Nähe zu der Bush-Mannschaft beruft: "Zum ersten Mal verfolgen eine US-Administration und eine Likud-Regierung mehr oder weniger identische politische Ziele. Die Frage ist berechtigt: Wie ist es dazu gekommen, und während es sicherlich in Scharons Interesse liegt - liegt es in Amerikas Interesse?"

Es ist an der Zeit, die Wahrheit aufzudecken. Denn Amerika ist kurz davor, eine folgenschwere Entscheidung zu fällen: Soll man sich auf eine Serie von Kriegen im Nahen Osten einlassen, die jenen Zusammenprall der Zivilisationen auslösen könnten, vor dem der Harvard-Professor Samuel Huntington gewarnt hat? Ein solcher Krieg wäre, wie wir glauben, eine Tragödie und eine Katastrophe für diese Republik. Um diesen Krieg abzuwenden, um auf die neokonservativen Verunglimpfungen zu erwidern, fordern wir unsere Leser auf, sich Gedanken über die politischen Ziele zu machen, die in den Worten dieser Menschen zum Ausdruck kommen. Sonnenlicht ist das beste Gegengift. Wie Al Smith zu sagen pflegte: "Nichts Unamerikanisches kann im Sonnenlicht überleben."

Wir behaupten, daß ein Klüngel von Polemikern und politischen Amtsträgern unser Land in eine Serie von Kriegen zu verwickeln suchen, die nicht in amerikanischem Interesse sind. Wir werfen ihnen vor, mit Israel gemeinsame Sache zu machen, um diese Kriege auszulösen und die Osloer Friedensverträge zu zerstören. Wir werfen ihnen vor, die Beziehungen der USA zu jedem einzelnen Staat in der arabischen Welt, der Widerstand gegen Israel leistet oder das Recht der Palästinenser auf ein eigenes Heimatland unterstützt, absichtlich zu beschädigen. Wir werfen ihnen vor, mit ihrer Arroganz, Hybris und Kriegsbereitschaft Freunde und Verbündete in der gesamten islamischen und westlichen Welt vor den Kopf gestoßen zu haben.

Noch nie hat sich Amerika so sehr von seinen alten Freunden abgesondert. Schlimmer noch, Präsident Bush ist dabei, sich in eine Falle locken zu lassen, die ihm diese Neokonservativen gestellt haben. Dies könnte ihn sein Amt und Amerika Jahre des Friedens kosten, die wir den Opfern zweier Generationen während des Kalten Krieges verdanken.

Sie werfen uns Antisemitismus vor, das heißt Haß auf die Juden ihres Glaubens, ihres Erbes, ihrer Ahnenschaft wegen. Dieser Vorwurf ist falsch. In Wahrheit verhält es sich so, daß diejenigen, die mit diesen Anschuldigungen um sich werfen, eine leidenschaftliche Beziehung zu einem Staat pflegen, der nicht der unsere ist. Dies bewegt sie dazu, die Interessen ihres eigenen Landes zurückzustellen und von der Annahme auszugehen, was gut für Israel ist, sei irgendwie auch gut für Amerika.

Wer sind die Neokonservativen? Die erste Generation bestand aus ehemaligen Liberalen, Sozialisten und Trotzkisten, Flüchtlingen der George McGovern-Revolution, die sich zum Konservatismus bekehrten, als dieser 1980 mit Ronald Reagan gerade am Ende seines langen Marsches zur Macht angelangt war. "Ein Neokonservativer", schrieb Kevin Philipps damals, "wird eher Zeitschriftenredakteur als Maurer sein." Heute wird er oder sie am ehesten an einem Forschungsinstitut wie dem American Enterprise Institute (AEI) oder einem seiner Klone, etwa dem Center for Security Policy oder dem Jewish Institute for National Security Affairs (JINSA), tätig sein. Eine spitze Zunge bemerkt, ein Neokonservativer kenne sich mit Think Tanks besser aus als mit Abrams-Tanks.

Der Einfluß Neokonservativer ist unverhältnismäßig groß

Fast keiner unter den Neokonservativen stammt aus der Geschäftswelt oder aus dem Militär, und wenn überhaupt, kommen nur wenige aus dem Wahlkampf des republikanischen Kandidaten Barry Goldwater von 1964. Die Helden, auf die sie sich berufen, sind Woodrow Wilson, Franklin Delanoe Roosevelt, Harry Truman, Martin Luther King sowie die demokratischen Senatoren Henry "Scoop" Jackson (Washington) und Pat Moynihan (New York).

Alle sind sie Interventionisten und betrachten die Unterstützung Israels als Entscheidungsmerkmal ihrer Gattung. Zu den prominentesten Neokonservativen zählen Jeane Kirkpatrick, Bill Bennett, Michael Novak und James Q. Wilson.

Ihre Ansichten veröffentlichen sie im Weekly Standard, in Commentary, New Republic, National Review und auf der Meinungsseite des Wall Street Journal. Zahlenmäßig mögen sie nicht stark sein, aber dank ihrer Kontrolle über konservative Stiftungen und Publikationen, durch ihre landesweit erscheinenden Zeitungskolumnen und ihre Verbindungen zu den Machthabern üben sie einen unverhältnismäßig großen Einfluß aus.

Nach dem Ende des Kalten Krieges mußten diese Neokonservativen sich nach einem neuen Kreuzzug umsehen, damit ihr Leben einen Sinn hatte. Der 11. September kam ihnen wie gerufen. Dank der furchtbaren Untaten dieses Tages gelang es ihnen, Amerikas Zorn in einen rückhaltlosen Krieg zu lenken, um ihre Feinde zu zerstören: die arabischen und islamischen "Schurkenstaaten" nämlich, die sich der US-amerikanischen Hegemonie widersetzen und Israel hassen.

Die Kriegspartei hatte sich allerdings schon lange vor dem 11. September auf den Ernstfall vorbereitet. Und als Präsident Bush die Taliban besiegt hatte und eine neue Front suchte, um seinen Krieg gegen den Terror zu führen, setzten sie ihm ein fertiges Essen vor. Bush ließ es sich schmecken.

Synchrone und eilige Reaktion nach dem 11. September

Bevor wir uns den Drehbuchautoren der Kriege zuwenden, die Amerika bevorstehen, mögen Sie sich die blitzschnelle und synchronisierte Reaktion der Neokonservativen auf die Geschehnisse jenes schicksalhaften Tages ins Gedächtnis rufen.

Am 12. September, als die Amerikaner sich noch nicht von ihrem Schock erholt hatten, sagte Bill Bennett in einem CNN-Interview, wir befänden uns in einem Kampf zwischen Gut und Böse, der Kongreß müsse dem militanten Islam den Krieg erklären und dieser müsse mit überwältigender Militärstärke geführt werden. Als Angriffsziele nannte Bennett den Libanon, Libyen, Syrien, Irak, Iran und China - nicht etwa Afghanistan, wo Osamas Terroristen Zuflucht gefunden hatten. Woher wußte Bennett, welche Länder zerschmettert werden mußten, bevor er irgendeine Ahnung hatte, wer uns angegriffen hatte?

Unmittelbar danach veröffenlichte das Wall Street Journal eine Liste spezifischer Angriffsziele und forderte US-amerikanische Luftangriffe auf Terroristenlager in Syrien, Sudan, Libyen, Algerien und vielleicht sogar in Teilen Ägyptens. Keines der Länder, die auf diesen Listen standen, hatte jedoch irgend etwas mit dem 11. September zu tun. Am 15. September, so schreibt Bob Woodward in "Bush at War", argumentierte Paul Wolfowitz mit militärischen Begründungen für einen Angriff auf den Irak statt auf Afghanistan. Warum gerade Irak? Ein Angriff auf Afghanistan, erklärte Wolfowitz im Kriegskabinett, wäre eine ungewisse Angelegenheit. Der Irak dagegen sei ein brüchiges, diktatorisches Regime, das vermutlich unter Druck leicht in sich zusammenbrechen würde. Ein Krieg gegen den Irak wäre machbar.

Am 20. September schickten vierzig Neokonservative einen Brief an das Weiße Haus, der Anleitungen enthielt, wie der Krieg gegen den Terror zu führen sei. Dieser von Bennett, Podhoretz, Kirkpatrick, Perle, Kristol und dem Washington Post-Kolumnisten Charles Krauthammer unterzeichnete Brief stellte ein Ultimatum dar. Um die Unterzeichner auf seiner Seite zu behalten, hieß es, müsse der Präsident die Zerstörung der Hisbollah-Miliz in Angriff nehmen, Vergeltungsschläge auf Syrien und den Iran verüben, falls diese sich weigern sollten, ihre Verbindungen zu Hisbollah aufzukündigen, und Saddam absetzen. Den Irak nicht anzugreifen, warnten die Unterzeichner, käme einer frühen und vielleicht entscheidenden Kapitulation im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gleich.

Neun Tage nach einem Angriff auf Amerika teilte hier also eine Clique von Intellektuellen dem Oberkommandierenden mit, wenn er ihre Kriegspläne nicht befolgte, würde er sich der Kapitulation vor dem Terrorismus schuldig machen. Dabei hatte Hisbollah überhaupt nichts mit dem 11. September zu tun. Was hatte Hisbollah verbrochen? Durch die Vertreibung der israelischen Armee aus dem Libanon hatte Hisbollah Israel erniedrigt.

Präsident Bush war gewarnt. Er sollte den Angriff vom 11. September ausnutzen, um eine Serie von Kriegen gegen arabische Regime zu beginnen. Keines dieser Regime hatte uns angegriffen. Dafür waren sie allesamt Feinde Israels. Der ehemalige israelische Premierminister Bibi (Benjamin, d. Red.) Netanjahu war im amerikanischen Fernsehen allgegenwärtig mit seiner Forderung, wir müßten das Reich des Terrors zerschlagen. Dieses Reich bestand offensichtlich aus Hamas, Hisbollah, dem Iran, dem Irak und der palästinensischen Enklave.

So übel manche dieser Regime und Gruppen sein mögen - was hatten sie den USA angetan?

Die Kriegspartei bemühte sich verzweifelt, einen Nahost-Krieg in Gang zu setzen, bevor Amerika es sich anders überlegte. Tom Donnelly vom Project for the New American Century (PNAC) forderte eine sofortige Invasion des Iraks. Dieser Angriff brauche nicht einmal verschoben zu werden, bis eine halbe Million Soldaten in Bereitschaft versetzt waren. "Die Besetzung des Iraks nach dem Ende der kriegerischen Auseinandersetzung stellt die größere Herausforderung dar", schrieb er.

Der Irak ist in der Region der "sinnvollste" Gegner

Ähnlich sah es Jonah Goldberg in der National Review: "Die USA müssen gegen den Irak in den Krieg ziehen, weil sie einen Krieg mit irgend jemandem in der Region brauchen und der Irak der sinnvollste Gegner ist."

Goldberg zitierte beifällig die Ledeen-Doktrin des ehemaligen Pentagon-Mitglieds Michael Ledeen: "Ungefähr alle zehn Jahre müssen die Vereinigten Staaten irgendein beschissenes kleines Land beim Schopf packen und es gegen die Wand schmeißen, nur um zu zeigen, daß wir es ernst meinen." (Als der französische Botschafter in London bei einem feierlichen Abendessen fragte, warum wir eines beschissenen kleinen Landes wegen - gemeint war Israel - den Dritten Weltkrieg riskieren sollten, fand Goldbergs Zeitschrift das gar nicht witzig.)

Ledeen selber drückt sich weniger frivol aus. In seinem Buch "The War Against the Terror Masters" identifiziert er exakt die Regime, die Amerika zerstören muß: "Zuallererst müssen wir die Terrorregime niedermachen, angefangen bei den Großen Drei: Iran, Irak und Syrien. Und danach müssen wir mit Saudi-Arabien zu Rande kommen. Wenn die Tyrannen in Iran, Irak, Syrien und Saudi-Arabien niedergemacht worden sind, werden wir am Ball bleiben. Wir müssen die Durchsetzung der demokratischen Revolution gewährleisten. Stabilität ist unseres Einsatzes nicht wert, und im übrigen ist es ein irreführender Begriff. Wir wollen keine Stabilität in Iran, Irak, Syrien oder sogar Saudi-Arabien; wir wollen, daß sich die Dinge ändern. Die eigentliche Frage ist nicht, ob wir destabilisieren sollen, sondern wie."

Dem Krieg folgt der "Clash of civilisations"

Nachdem er Stabilität als des amerikanischen Einsatzes unwürdig von sich gewiesen hat, definiert Ledeen Amerikas wahre historische Mission: "Kreative Zerstörung ist uns in die Wiege gelegt, und zwar sowohl innerhalb unserer Gesellschaft als auch im Ausland. Wir zerschmettern die alte Ordnung tagtäglich, vom Geschäftswesen über Wissenschaft, Literatur, Kunst, Architektur, Kino bis hin zu Politik und Recht. Unsere Gegner haben diesen Wirbelwind an Energie und Kreativität von jeher gehaßt, weil er ihre Traditionen zerstört (wie immer sie auch aussehen mögen) und sie beschämt, wenn sie nicht mithalten können. ... Wir müssen sie zerstören, um unsere historische Mission voranzubringen."

Passagen wie diese klingen mehr nach Leo Trotzki als nach Robert Taft und lassen einen Anklang von Jakobinertum durchschimmern, der mit jedem Begriff eines echten Konservatismus unvereinbar bleibt.

Dem Weekly Standard war Ledeens Liste der Gegner Amerikas zu kurz: "Wir müssen nicht nur den Terror-Netzwerken und Staaten, die Terroristen beherbergen, den Krieg erklären, sondern wir sollten gegen alle Gruppen und Regierungen einen Krieg beginnen, die geneigt sind, solchen Terroristen in Zukunft Unterstützung zu leisten."

Robert Kagan und William Kristol überschlugen sich fast vor Aufregung über die Aussicht auf Armageddon: "Der kommende Krieg wird sich ausbreiten und eine Reihe von Ländern einschließen. Er wird dem Zusammenprall der Zivilisationen gleichen, den alle zu vermeiden hofften. (...) Es ist durchaus möglich, daß der Untergang einiger moderater arabischer Regime kurz bevorsteht."

In Commentary übertraf Norman Podhoretz Kristols Standard noch. Er schwärmte davon, wir sollten einen Krieg der Zivilisationen willkommen heißen, denn es sei die Mission des George W. Bush, den Vierten Weltkrieg zu führen: den Krieg gegen den militanten Islam. Seiner Meinung nach verdienen nicht nur die drei Mitglieder der Achse des Bösen (Irak, Iran und Nordkorea), gestürzt zu werden. Mindestens sollte die Achse auf Syrien, Libanon und Libyen ausgedehnt werden, außerdem auf "Freunde" Amerikas wie das saudiarabische Königshaus, Ägyptens Hosni Mubarak und die Palästinenser-Behörde. "Bush muß die zaghaften Ratschläge des unverbesserlich vorsichtigen Colin Powell verwerfen", schrieb Podhoretz, "und den Mut finden, der besiegten islamischen Welt eine neue politische Kultur aufzuzwingen." Genauso wie der Krieg gegen al-Quaida verlangt habe, daß wir die Taliban ausmerzen, so Podhoretz weiter, "könnten wir uns - ob wir es wollen oder nicht - gezwungen sehen, fünf oder sechs oder sieben weitere Tyranneien in der islamischen Welt zu stürzen (darunter jenen anderen Sponsor des Terrorismus, Jassir Arafats Palästinenser-Behörde). Ich kann mir sogar vorstellen, daß aus dem Tumult dieses Krieges für Amerika eine neuartige imperialistische Mission hervorgeht. Deren Zweck wäre, die Entstehung von Nachfolgeregierungen in der Region zu beaufsichtigen, die eher bereit zu Reformen und Modernisierung wären als die Despoten, die derzeit an der Macht sind. Außerdem kann ich mir die Bildung eines wie auch immer gearteten amerikanischen Protektorats über die saudi-arabischen Ölfelder vorstellen, denn wir fragen uns mehr und mehr, warum 7.000 Prinzen auch weiterhin so viel Macht über uns und alle anderen haben sollen."

Podhoretz schreibt Eliot Cohen den Begriff "Vierter Weltkrieg" zu. Kurz darauf sah man Bush mit einem Geschenkexemplar von Cohens Buch in der Hand. Cohen rühmt die Herrschaft, die zivile Machthaber wie Winston Churchill und David Ben Gurion in Kriegszeiten über das Miltär walten ließen.

Auf der Liste aller Nahost-Regime, die Podhoretz, Bennett, Ledeen, Netanjahu und das Wall Street Journal als Angriffsziele betrachten, stehen demnach folgende Länder und Gruppierungen: Algerien, Libyen, Ägypten, Sudan, Libanon, Syrien, Irak, Saudi-Arabien, Iran, Hisbollah, Hamas, die palästinensische Autonomiebehörde und den militanten Islam.

Cui bono? Wem nützen diese endlosen Kriege in einer Region, die den Amerikanern nichts Lebenswichtiges bietet bis auf Erdöl, das die Araber an uns verkaufen müssen, um zu überleben? Wer würde von einem Krieg der Zivilisationen zwischen dem Westen und dem Islam profitieren? Die Antwort lautet: ein Staat, ein Mann, eine Partei. Israel, Scharon, Likud.

In der Tat redet Scharon seinen amerikanischen Freunden in jeder Hinsicht nach dem Mund. Im Februar 2003 erklärte er einer Delegation amerikanischer Kongreßangehöriger, nach der Zerstörung von Saddams Regime durch die USA sei die Entwaffnung Irans, Syriens und Libyens von lebenswichtiger Bedeutung.

"Wir sind sehr an der Gestaltung des Nahen Ostens am Tag nach dem Krieg gegen den Irak interessiert", sagte der israelische Verteidigungsminister Shaul Mofas der Conference of Major American Jewish Organizations. "Nach dem Einmarsch US-amerikanischer Truppen in Bagdad müssen die USA Teheran politisch, wirtschaftlich und diplomatisch unter Druck setzen", ermahnte Mofaz die amerikanischen Juden.

Gefährlichster Gegner der USA ist Saudi-Arabien

Sind die Neokonservativen besorgt, daß ein Krieg gegen den Irak wohlgesonnene arabische Regierungen stürzen könnte? Kein bißchen. Sie würden dies begrüßen. "Mubarak ist nicht gerade toll", sagt Richard Perle über den ägyptischen Präsidenten. "Bestimmt können wir jemanden finden, der besser ist als Mubarak." Auf die Frage, ob ein Krieg gegen den Irak, der seiner Einschätzung nach ein "Kinderspiel" sein wird, die Regierungen Ägyptens und Saudi-Arabiens stürzen könnte, antwortete der frühere UN-Botschafter Ken Adelman dem Washington Monthly: "Um so besser, wenn Sie mich fragen."

Am 10. Juli 2002 lud Perle einen ehemaligen Mitarbeiter Lyndon LaRouches namens Laurent Murawiec ein, vor dem Defense Policy Board zu sprechen. In einer Rede, die Henry Kissinger einen Schrecken einjagte, nannte Murawiec Saudi-Arabien als den Kern des Übels, den wichtigsten Drahtzieher, den gefährlichsten Gegner der USA.

Washington sollte Riad ein Ultimatum stellen, sagte er. Entweder "verfolgt oder isoliert Ihr Saudis alle, die in die Kette des Terrors verwickelt sind, die saudiarabischen Ermittlungsdienste eingeschlossen, und macht Schluß mit der Propaganda gegen Israel, oder aber wir marschieren in Euer Land ein, beschlagnahmen Eure Ölfelder und besetzen Mekka."

Als krönenden Abschluß seiner PowerPoint-Präsentation stellte Murawiec eine große Strategie für den Nahen Osten vor: "Irak ist der taktische Dreh- und Angelpunkt, Saudi-Arabien der strategische, Ägypten der Preis." Aus Berichten über Murawiecs Rede, die an die Öffentlichkeit durchsickerten, ging nicht hervor, ob irgend jemand die Frage aufwarf, wie die islamische Welt wohl auf US-Truppen reagieren würde, die auf dem Gelände der Großen Moschee in Mekka herumtrampelten.

Diese Neokonservativen wollen amerikanisches Blut in den Krieg schicken, um die Welt für Israel sicher zu machen. Sie wollen dem Islam einen Frieden des Schwertes aufzwingen, und wenn nötig, wollen sie, daß amerikanische Soldaten dafür sterben.

Der Washington Times-Redakteur Arnaud de Borchgrave spricht in diesem Zusammenhang von einer "Bush-Scharon-Doktrin" der amerikanischen Außenpolitik. "Washingtons Likudniks", schreibt er, "haben die Kontrolle über die US-amerikanische Nahostpolitik, seit Bush seinen Amtseid abgelegt hat."

Die Neokonservativen wollen ein amerikanisches Imperium, und Scharons Leute wollen eine Hegemonie über den Nahen Osten. Die Anliegen beider Seiten überschneiden sich genau. Und obschon die Neokonservativen schwören, daß der 11. September einen Krieg gegen den Irak unvermeidlich machte, liegen die Ursprünge ihrer Kriegsplanung viel weiter zurück.

Der Weg nach Damaskus führt über Bagdad

Der Hauptarchitekt dieser Pläne ist Richard Perle. Der damalige Mitarbeiter Senator Scoop Jacksons wurde 1970 dabei ertappt, wie er vertrauliche Informationen des Nationalen Sicherheitsrates an die israelische Botschaft weiterleitete. In der 1974 erschienenen Studie "Jews and American Politics" schrieb Stephen D. Isaacs: "Richard Perle und Morris Amitay kommandieren eine winzige Armee von Philosemiten auf dem Capitol Hill und steuern jüdische Macht gemäß jüdischen Interessen." 1983 berichtete die New York Times, Perle habe substantielle Summen von einem israelischen Waffenhersteller erhalten.

1996 verfaßte Perle gemeinsam mit Douglas Feith und David Wurmser ein Papier mit dem Titel "A Clean Break: A New Strategy for Securing the Realm" für den damaligen israelischen Premierminister Netanjahu. Darin empfahlen Perle, Feith und Wurmser Israel, die Osloer Friedensverträge des ermordeten Jitzhak Rabin sausenzulassen und sich eine aggressivere Strategie zu eigen zu machen: "Israel kann in Zusammenarbeit mit der Türkei und Jordanien sein strategisches Umfeld gestalten, indem es Syrien schwächt, eindämmt und eventuell zurücktreibt. Dieses Bemühen kann darauf konzentriert sein, Saddam Hussein aus seinem Amt zu entfernen - für Israel an sich schon ein bedeutendes strategisches Ziel, um Syriens regionalen Ambitionen entgegenzuwirken. Jordaniens Vorschlag, die Haschemiten im Irak wieder an die Macht zu bringen, stellte unlängst eine Herausforderung dieser regionalen Ambitionen dar."

Dieser Strategie zufolge ist Syrien weiterhin Israels Hauptfeind, aber der Weg nach Damaskus führt durch Bagdad. Ihren Plan, der Israel das Prinzip des Erstschlags ans Herz legte, haben Perle, Feith, Wurmser und ihre Mitstreiter jetzt den USA aufgezwungen.

In einem Papier von 1997, "A Strategy for Israel", drängte Feith Israel zur Wiederbesetzung der Gebiete, die der palästinensischen Autonomiebehörde unterstehen, auch wenn "der Blutzoll hoch wäre".

Als Forscher am American Enterprise Institute entwarf Wurmser Pläne für einen gemeinsamen israelisch-amerikanischen Krieg, "um die Zentren des Radikalismus im Nahen Osten tödlich zu treffen". Israel und die USA sollten den "Konflikt ausweiten, um die Zentren des Radikalismus in der Region nicht nur zu entwaffnen, sondern tödlich zu treffen - die Regime von Damaskus, Bagdad, Tripolis, Teheran und Gaza. Dies würde zu der Erkenntnis führen, daß es selbstmörderisch ist, die USA oder Israel zu bekämpfen."

Er empfahl beiden Staaten, nach einer Krise Ausschau zu halten, denn: "Krisen können Gelegenheiten sein". Diesen amerikanisch-israelischen Kriegsplan veröffentlichte Wurmser am 1. Januar 2001, neun Monate vor dem 11. September.

Der Publizist Michael Lind schreibt zum Perle-Feith-Wurmser-Klüngel: "Die radikale zionistische Rechte, der Perle und Feith angehören, ist zahlenmäßig klein, hat sich aber als wichtige Kraft im Umfeld der republikanischen Entscheidungsträger etabliert. Sie stellt ein relativ neues Phänomen dar, das erstmals in den späten 1970ern und 1980ern in Erscheinung trat, als viele ehemals demokratische jüdische Intellektuelle sich dem breiten Spektrum der Reagan-Koalition anschlossen. Auch wenn viele dieser Falken in der Öffentlichkeit von globalen Kreuzzügen für die Demokratie sprechen, ist die Hauptsorge vieler solcher Neokonservativer die Macht und der gute Ruf Israels." Lind trifft den Nagel auf den Kopf.

Syrien, Iran und Nord-Korea sind die nächsten Ziele

Heute hat Perle den Vorsitz des Defense Policy Board inne, Feith ist Staatssekretär im Verteidigungsministerium, und Wurmser Sonderassistent des Staatssekretärs im Außenministerium für Waffenkontrolle, John Bolton, der brav die Perle-Scharon-Linie nachbetet. Der israelischen Tageszeitung Ha'aretz zufolge sagte Bolton Ende Februar "bei Treffen mit israelischen Regierungsmitgliedern, er habe keinen Zweifel, daß Amerika den Irak angreifen wird und daß es danach unumgänglich sein wird, auf Drohungen von seiten Syriens, des Irans und Nord-Koreas zu reagieren".

Am 26. Januar 1998 erhielt der damalige Präsident Bill Clinton einen Brief, in dem ihm nahegelegt wurde, seine traditionelle "State of the Union"-Ansprache zu nutzen, um die Beseitigung von Saddam Husseins Regime zum Hauptziel der amerikanischen Außenpolitik zu erklären. Weiter hieß es, die Zeit für einen Militäreinsatz sei gekommen, da die Diplomatie im Scheitern begriffen sei. Wenn Clinton ihren Rat befolgte, versicherten die Unterzeichner, könne er sich "unserer vollen Unterstützung bei diesem schwierigen, aber notwendigen Unterfangen" gewiß sein. Unterzeichnet war dieses Gelöbnis von Elliott Abrams, Bill Bennett, John Bolton, Robert Kagan, William Kristol, Richard Perle und Paul Wolfowitz. Ganze vier Jahre vor dem 11. September hatten die Neokonservativen Bagdad ins Visier genommen.

Im Jahr 1992 wurde der Presse ein erschreckendes Dokument aus Paul Wolfowitz' Büro im Pentagon zugespielt. Barton Gellman von der Washington Post bezeichnete es als "geheime Blaupause, mit deren Hilfe die Nation für das nächste Jahrhundert auf Kurs gebracht werden sollte". Das Wolfowitz-Memorandum forderte eine ständige US-amerikanische Militärpräsenz auf sechs Kontinenten, um alle potentiellen Konkurrenten davon abzuschrecken, nach einer größeren regionalen oder globalen Rolle zu streben. An die Stelle der Eindämmungsstrategie, mit der die USA im Kalten Krieg siegreich blieben, sollte eine ehrgeizige neue Strategie treten, um "eine neue Ordnung zu etablieren und zu schützen".

Obwohl das Wolfowitz-Memorandum 1992 noch verworfen wurde, wurde es am 21. September 2002 in einer von Präsident Bush ausgegebenen Richtlinie zur offiziellen amerikanischen Außenpolitik. Washington Post-Reporter Tim Reich bezeichnet die 33seitige "National Security Strategy" (NSS) als "Wasserscheide in der US-amerikanischen Außenpolitik", die "die fundamentalen Prinzipien umkehrt, an die sich unsere Präsidenten über fünfzig Jahre lang gehalten haben: Eindämmung und Abschreckung".

Andrew Bacevich, Professor an der Boston University, schreibt zu der NSS, er staune über die "Fusion zwischen atemberaubenden Idealismus und kaum verhohlener Machtpolitik. Sie liest sich, als sei sie nicht das Produkt nüchterner, vermeintlich konservativer Republikaner, sondern aus einer unwahrscheinlichen Kollaboration zwischen Woodrow Wilson und Feldmarschall von Moltke hervorgegangen."

In der Konfrontation mit Amerikas Widersachern, heißt es in dem Papier, "werden wir nicht zögern, alleine zu handeln und notfalls unser Recht auf Selbstverteidigung auch durch einen Erstschlag wahrzunehmen". Staaten, die nach Macht streben, um mit den USA rivalisieren zu können, werden gewarnt, daß sie sich einen Krieg mit den USA einhandeln: "Der Präsident hat keinerlei Absicht, irgendeinem Staat zu gestatten, den riesigen Vorsprung aufzuholen, den die USA seit dem Fall der Sowjetunion vor mehr als einem Jahrzehnt errungen haben. (...) Unsere Streitkräfte werden stark genug sein, um potentielle Widersacher davon abzuhalten, eine Militärmacht aufzubauen, mit der sie die Macht der USA zu übertreffen oder mit ihr gleichzuziehen hoffen."

"Amerika muß sich mit der Vorstellung einer Ära des Staatsaufbaus im großen Stil anfreunden, und zwar ohne sich einen Notausgang offenzuhalten", fordert Robert Kagan. Diese Pax americana, die die Neokonservativen sich ausmalen, scheint jedoch eher geeignet, ein Zeitalter des "ständigen Krieges für ständigen Frieden" einzuläuten, wie Harry Elmer Barnes es formuliert.

Präsident Bush wurde am 20. September 2001 gewarnt, ihm werde eine "entscheidende Kapitulation" im Krieg gegen den Terror zur Last gelegt, falls er sich weigern sollte, den Irak anzugreifen. Ihm wurde ebenfalls bedeutet, daß Druck auf Israel verboten ist. Denn genauso wie die Neokonservativen schon die antisemitische Karte ausgespielt haben, werden sie nicht zögern, mit dem München-Trumpf noch einen draufzusetzen. Als Bush vor einem Jahr Scharon aufforderte, seine Truppen aus dem Westjordanland abzuziehen, erwiderte Scharon, er werde nicht zulassen, daß jemand Israel das antäte, was Neville Chamberlain den Tschechen angetan habe. Frank Gaffney vom Center for Security Policy gab Scharon sofort Rückhalt: "Mit jedem Tag, der vergeht, scheint Washington das Verhalten seines wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten als lästige Unannehmlichkeit zu betrachten, genauso wie der Widerstand der Tschechoslowakei gegen Hitlers Friedensangebot im Austausch für tschechisches Land einst London und Paris lästig war."

Israel hat das Recht auf Frieden und sichere Grenzen

Als der ehemalige amerikanische Nato-Kommandant General George Jouwlan andeutete, daß die USA Israel und den Palästinensern einen Frieden gegebenenfalls aufzwingen müßten, setzte er sich ähnlichen Vorwürfen aus. Gaffney schrieb: "Sie würden vermutlich Großbritanniens und Frankreichs Ausverkauf eines Verbündeten 1938 in München noch übertreffen. Die 'Friedenserzwinger' sind offenbar bereit, uns auch noch die Rolle von Hitlers Wehrmacht spielen zu lassen, indem wir das zeitgenössische Sudetenland besetzen und an Jassir Arafat übergeben: das Westjordanland, den Gaza-Streifen und am besten auch noch einen Teil Jerusalems."

Podhoretz sagte, Scharons Anschuldigungen seien inhaltlich berechtigt, fügte aber hinzu, die München-Analogie sei "politisch unklug".

Präsident Bush weiß Bescheid: Sollte er Israel unter Druck setzen, gemäß der Oslo-Formel, auf die sein Vater und Jitzhak Rabin vertrauten, Land gegen Frieden zu tauschen, wird er wie schon sein Vater als Antisemit und Friedensstifter Münchner Prägung denunziert werden - sowohl von den Israelis als auch von seinen neokonservativen Parteifreunden.

Doch wenn Bush Scharon nicht preisgeben will, wird es keinen Frieden geben. Und ohne Frieden im Nahen Osten gibt es für uns keine Sicherheit - niemals, denn der Terror wird kein Ende nehmen. Fast jeder Diplomat oder Journalist, der die Region regelmäßig bereist, wird es bestätigen: Amerikas Weigerung, beide Seiten gleich zu behandeln, Scharon zur Vernunft zu bringen und Israels Ausschreitungen zu verurteilen, und unsere moralische Mitschuld an Israels Plünderungen palästinensischen Landes und der Verweigerung ihres Rechtes auf Selbstbestimmung geben dem islamischen Anti-Amerikanismus Nahrung. Auf dem fruchtbaren Boden dieses Versagens gedeihen Terroristen und Terrorismus.

Um zum Abschluß zu kommen: Das israelische Volk ist Amerikas Freund und hat ein Recht auf Frieden und auf sichere Grenzen. Wir sollten ihm helfen, diese Rechte zu schützen. Als Nation sind wir eine moralische Verpflichtung eingegangen, der ein halbes Dutzend Präsidenten nachgekommen ist - eine Verpflichtung, die die Amerikaner zu ehren wünschen: nicht zuzulassen, daß das Land dieses Volkes, das viel erlitten hat, überrannt und zerstört wird. Und diese Verpflichtung müssen wir ehren.

Amerikanische Interessensind wichtiger als israelische

Jedoch sind amerikanische und israelische Interessen nicht identisch. Oft prallen sie aufeinander, und wenn dies passiert, müssen die Interessen der USA Vorrang haben. Zudem betrachten wir das Scharon-Regime nicht als Amerikas besten Freund.

Seit Ben Gurions Zeiten hat Israels Verhalten zwischen Jekyll und Hyde geschwankt. In den 1950er Jahren sprengten Agenten des Geheimdienstes Mossad amerikanische Anlagen in Ägypten, um die Beziehungen der USA zu der neuen Nasser-Regierung zu vergiften. Während des Sechstagekrieges wurde auf Befehl der israelischen Regierung die wehrlose USS Liberty wiederholt angegriffen. Unter anderem wurden Rettungsboote mit Maschinengewehren beschossen. Bei diesen Angriffen kamen 34 amerikanische Seeleute ums Leben, weitere 171 wurden verwundet. In einem Akt nationaler Feigheit wurde dieses Massaker von amerikanischer Seite weder untersucht noch bestraft.

Obwohl wir Israel für jeden jüdischen Bürger 20.000 Dollar gegeben haben, weigert sich Israel, den Bau der Siedlungen einzustellen, die die Ursache der palästinensischen Intifada sind. Likud hat unseren guten Namen durch den Schlamm und durch das Blut von Ramallah gezogen, hat Bushs Bitten ignoriert, sich am Riemen zu reißen, und amerikanische Waffentechnologie an China verkauft, darunter die Patriot-Rakete, die Phoenix-Rakete und den Lavi-Kampfflieger, der auf F-16-Technologie basiert. Nur durch direkte Intervention konnte Israel am Verkauf unseres AWACS-Systems gehindert werden.

Israel warb Jonathan Pollard an, um unsere Geheimnisse zu klauen, und weigert sich, die Dokumente zurückzugeben, die ein für allemal beweisen würden, ob diese nach Moskau verkauft wurden oder nicht. Als Clinton sich bemühte, eine Einigung zwischen Israel und Arafat auszuhandeln, versuchte Bibi Netanjahu Pollard im Gegenzug für seine Unterschrift freizupressen, um diese verräterische Schlange als Nationalhelden nach Israel zurückholen zu können.

Benehmen die Briten, die doch unsere engsten Verbündeten sind, sich so? Zwar haben wir immer wieder gesagt, daß wir diesen Präsidenten in vielem bewundern. Doch er hat eine Wiederwahl nicht verdient, wenn er das Anliegen der Neokonservativen nicht zurückweist, endlose Kriege gegen die islamische Welt zu führen - Kriege, die nur den Interessen eines Landes dienen, das nicht dasjenige ist, das zu schützen und zu erhalten er in seinem Amtseid geschworen hat.

 

Foto: Wolfowitz in Washington 2002: "Leidenschaftliche Beziehung zu einem Staat pflegen, der nicht der unsere ist"

Foto: Isrealischer Panzer vor der Geburtskirche in Bethlehem: Dokumentieren, daß der Angriff auf Israel oder die USA selbstmörderisch ist

 

Patrick J. Buchanan, geboren 1938 in Washington D.C., studierte Journalismus und arbeitete unter den Präsidenten Nixon, Ford und Reagan unter anderem als Pressesprecher im Weißen Haus. 1989 kehrte er als Kolumnist bei CNN ins Nachrichtengeschäft zurück. Wegen seiner konservativen Haltung geriet er in Konflikt mit seiner Partei, den Republikanern. Dennoch bewarb er sich 1992 und 1996 um deren Präsidentschaftskandidatur. 2000 wechselte er mit seinen Anhängern zur Reformpartei Ross Perots. Zuletzt veröffentlichte er die Bücher "A Republic, Not an Empire" (1998) und "The Death of the West" (2002).

Seit Oktober vorigen Jahres gibt er zusammen mit Taki Theodoracopulos und Scott McConnell die zweiwöchentlich erscheinende Zeitschrift The American Conservative heraus. Aus der aktuellen Ausgabe dieser Zeitschrift stammt auch der Aufsatz Buchanans mit dem Titel "Whose War?", der in den Vereinigten Staaten eine heftige Debatte ausgelöst hat und den wir mit freundlicher Genehmigung des Autors hier exklusiv auf deutsch veröffentlichen. Den Text übersetzte Silke Lührmann. Das Original ist im Internet unter www.amconmag.com  zu finden.


 
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