© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/03 28. März 2003

 
Kolumne
Tricksereien
Klaus Motschmann

In einer Rezension einer umfassenden Darstellung mehrerer konservativer Autoren zum Thema "Linksextremismus" lautet ein entscheidendes Argument, das an keiner Stelle deutlich werde, was unter "Linksextremismus" konkret zu verstehen sei. Dieses Argument ist bekanntlich ein bewährter linksintellektueller Taschenspielertrick, der in einer weithin ahnungslosen Öffentlichkeit allerdings noch immer für die beabsichtigte Verwirrung sorgt. Dies um so mehr, als sich der Rezensent nicht nur als Hobbyverfassungsschützer betätigt, sondern auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Zunächst stellt sich angesichts der Erfahrungen mit dem Linksextremismus die Frage, was der Rezensent unter "Verstehen" versteht. Wir nehmen einmal den günstigsten Fall der Erklärung an, daß ihm nicht bewußt ist, in welchem Ausmaß wichtige politische Begriffe inzwischen ihre Verbindlichkeit verloren haben. Zu dem in Frage stehenden Begriffspaar Sozialismus/ Kommunismus hat Werner Sombart bereits in der zwanziger Jahren 250 Definitionen zusammengestellt. Wie viele mögen es heute sein? Entsprechendes gilt für Begriffe wie Demokratie, Gerechtigkeit, Frieden...

Eine der wenigen Ausnahmen bildet das Begriffspaar Faschismus/ Rechts, bei dem es die angedeuteten Verständnisprobleme nicht gibt. Wenn es um den "Kampf gegen Rechts" geht, weiß jeder "anständige Deutsche", wovon die Rede ist. Maßgebenden Anteil an dieser diabolischen Sprachverwirrung hat die Linke insgesamt. Mit dem bewußten Bekenntnis zur "Parteilichkeit" in Wissenschaft und Bildung hat sie bewirkt, das methodische Prinzip der Objektivität als wesentliches Merkmal der sogenannten bürgerlichen Ideologie-Forschung zu verwerfen. "Statt der Festlegung auf Formaldefinitionen gilt es vielmehr, historisch variable Verständniskategorien zu ermitteln und zur Anwendung zu bringen" (Helga Grebing). Damit verkeilen sich die Auseinandersetzungen in allerlei "Vor-Fragen" und lenken auf diese Weise erfolgreich vom eigentlichen Thema ab.

Nach dieser Fuzzly-Logik lassen sich völlig widersprüchliche Begriffe unter einen gemeinsamen Oberbegriff durchaus exakt zusammenfassen, beispielsweise eine Kuh und eine Schuhbürste unter dem Begriff organische Materie. Man sollte nur nicht erwarten - so Friedrich Engels, daß sich deshalb bei den Schuhbürsten irgendwann Brustwarzen ausbilden. Ebenso sollte man nicht erwarten, daß es in dem breiten "Bündnis gegen Rechts" allen Beteiligten allein um die Abwehr verfassungsfeindlicher Bestrebungen geht.

 

Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaft an der Hochschule der Künste in Berlin.


 
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