© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/03 21. März 2003


Frisch gepresst

Gegen Schmitt und Habermas. In "Metzlers Philosophen Lexikon" durfte der Marburger Alt-Linke Joachim Kahl den Artikel über Ernst Topitsch verfassen. Eine gute Gelegenheit, um gegen den "akademischen Vorkämpfer der Neuen Rechten" zu Felde zu ziehen, dessen zeitgeschichtliche Studie über "Stalins Krieg" nur belege, daß Topitsch auch als Philosoph gescheitert sei. Ein kurioses Urteil, zumal Kahl konzediert, Topitsch habe mit seiner Kritik an Klerikalismus, christlichem Naturrecht und Existentialismus "geistige Modernitätsrückstände" aufgeholt. Daß er diese Kritik jedoch gegen den Marxismus und seine westdeutsche Gefolgschaft wendet, wird ihm als "grobschlächtiger Antikommunismus" attestiert. Der vor wenigen Wochen verstorbene Grazer Denker (JF 7/03) war eben einer der letzten Abkömmlinge der 1938 vertriebenen "Wiener Schule", ebenso antiklerikal wie antimarxistisch ausgerichtet. Wie unbequem er damit zwischen allen Stühlen saß, zeigt seine letzte Veröffentlichung, die gleichermaßen gegen die weltanschaulich konträren "Heilslehren" zweier einflußreicher politischer Theologen zielt, die des Katholiken Carl Schmitt und des "Gummersbacher Pietisten" Jürgen Habermas. Vor allem die Habermas-Kritik, durchtränkt mit ätzendem Witz, ist geradezu brillant. Daher wünscht man dem Büchlein weiteste Verbreitung, die aber der Verlag mit einer prohibitiven Preisgestaltung leider nachhaltig behindert hat (Im Irrgarten der Zeitgeschichte. Ausgewählte Aufsätze. Duncker &Humblot, Berlin 2003, 178 Seiten, 39,80 Euro).

Universitäten in Diktaturen. Der von John Connelly und Michael Grüttner herausgegebene Sammelband bietet Fallstudien zur Geschichte der Universitäten in neun verschiedenen Diktaturen. Wollte man eine Rangliste der informativsten Beiträge aufstellen, müßte man sich zur Behauptung versteigen, selbst die Forschungslage für Polen, Tschechien, Ungarn, China, die Sowjetunion, Italien, Spanien, für Deutschland während des Dritten Reiches und in der /SBZ/ DDR überblicken zu können. Wer aus deutscher Sicht leidlich über die Hochschulen in der NS-Zeit und das Schicksal der mitteldeutschen Anstalten unter stalinistischen Vorzeichen Bescheid weiß, wird daher Grüttner und Ralph Jessen nur für die Zusammenfassung des Forschungsstandes dankbar sein. Vor allem Grüttners Aufsatz über die "deutschen Universitäten unter dem Hakenkreuz" resümiert, bietet aber keine neue Erkenntnisse. Allem anderen hingegen kommt für deutsche Leser erheblicher Neuigkeitswert zu und lädt zu Vergleichen ein. Schade nur, daß diese Vergleiche auf Hochschulen in Diktaturen begrenzt bleiben. Die politische Reglementierung, wie sie hier etwa für Spanien und Italien nachgewiesen wird, meint der Tagebuch-Schreiber Thomas Mann 1951 aus dem kalifornischen Blickwinkel auch in McCarthys USA wahrzunehmen (Zwischen Autonomie und Anpassung: Universitäten in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts, Schöningh Verlag, Paderborn 2003, 285 Seiten, 40 Euro).


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