© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/03 28. Februar 2003

 
Frisch gepresst

Gods country and old Europe. Die ehemalige Schweizerische Parlamentspräsidentin und spätere, durch die OSZE berufene Om-budsfrau für Menschenrechte in Bosnien-Herzegowina, Gret Haller, veröffentlichte ihre Betrachtungen über die Unterschiede zwischen Europa und den USA instinktsicher in eine sich entwickelnde Debatte hinein, die spätestens durch die Polemiken Donald Rumsfelds ganze Feuilletonlandschaften beherrscht. Im Gegensatz zur überholten, noch aus dem Kalten Krieg stammenden Definition der "westlichen Wertegemeinchaft" seziert sie Differenzen im Umgang mit Staat, Religion, Recht und Nation, die, so unterschiedlich sie innerhalb des alten Abendlandes auch sein mögen, auf eine kulturelle und staatliche Tradition vieler Jahrhunderte fußen. Die davon emanzipierte Neue Welt hat viele ihrer Eigenarten, seien es ihre religiöse Toleranz bei gleichzeitigem Fundamentalismus, das missionsartige Sendungsbewußtsein oder ihren Umgang mit Moral zur Weltanschauung "kultiviert". Hallers Forderung, diesen Umstand zu erkennen und sich seiner Wurzeln "im alten Europa" zu besinnen, postuliert dabei einen sich bereits anbahnenden Politikwechsel (Die Grenzen der Solidarität. Europa und die USA im Umgang mit Staat, Nation und Religion. Aufbau-Verlag, Berlin 2002, 288 Seiten, 20 Euro).

Gestohlenes Leben. Die Hilfsorganisation für die Opfer politischer Gewalt in Europa (Help e.V.) stellt in dem von ihr herausgegebenen Sammelband 35 Schilderungen deutscher und ausländischer Autoren und Journalisten über die politische Haft und Verfolgung in der DDR vor, welche das verbrecherische Regime unter Ulbricht und Honecker im fahlsten Lichte präsentiert. Die hier dokumentierten Fälle menschenverachtender Praktiken im Herzen Europas zu Friedenszeiten klagen nicht nur ihre Peiniger aus MfS und SED, sondern auch die heuchlerische "freie Welt" an, die vor der Wende aus einer falsch verstandenen Raison "der Verständigung" nicht eine einzige Uno-Resolution anstrengten. Besonders heutigen DDR-"Ostalgikern" sei die Lektüre zu empfehlen, um nach Tolstois Devise, "Niemand weiß, unter welcher Regierung er lebt, solange er nicht in ihren Gefängnissen gesessen hat", neue Einsichten zu gewinnen (Das gestohlene Leben. Berlin 2002, 550 Seiten, 10 Euro. Zu beziehen über Help e.V., Ruschestraße 103, Haus 1, 10365 Berlin).


 
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