© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/03 28. Februar 2003

 
Umweltschutz ist kein Abwanderungsgrund
Bundesumweltamt: Neue Studie vorgestellt / Eine Million Arbeitsplätze geschaffen / Chancen für die Industrie
Alexander Barti

In der Debatte um den besten Wirtschaftsstandort wird immer wieder der Faktor "Umweltschutz" ins Spiel gebracht. Die strengen Öko-Auflagen in Deutschland, so ein gängiges Argument, wären eine Ursache für die Abwanderung von Betrieben ins Ausland. Diese Annahme ist falsch, wie die Ende 2002 veröffentlichte Studie "Erfolgreich durch Umweltschutz" des Bundesumweltamtes (UBA) belegt.

Allerdings wurden gewaltige Summen für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlage ausgegeben: in dem Zeitraum von 1975 bis 1989 haben dafür Staat und Wirtschaft in Westdeutschland rund 195 Milliarden Euro investiert. Nach der Wiedervereinigung kamen von 1991 bis 1998 noch einmal 173 Milliarden Euro hinzu. Diese hohen Ausgaben muß man allerdings in Bezug zu anderen Größen setzen, um ein stimmiges Bild zu bekommen: Zum Beispiel erreichten die Umweltschutzausgaben im Jahr 1998 gerade einmal 1,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung, sie stellen daher weder im internationalen Vergleich noch im Vergleich zu anderen volkswirtschaftlichen Kostenblöcken eine ausschlaggebende Größenordnung dar.

Beachtet werden muß auch, daß die Wirtschaft nur einen Teil der Umweltschutzausgaben selbst trägt, denn zahlreiche umweltschutzbezogene Förderprogramme der öffentlichen Hand mildern den "Kostendruck" in den Betrieben. "Insofern kann von einer Überforderung der Wirtschaft durch Umweltkosten keine Rede sein", stellt die Studie klar. Zwar haben besonders umweltbelastende Branchen einen höheren Anteil an den Ausgaben, aber gesamtwirtschaftlich gesehen ermittelte das UBA eine hohe Rentabilität der Umweltschutzmaßnahmen: "Umweltschutz erhöht also den Wohlstand der Gesellschaft deutlich. Dies gilt für klassische Umweltschutzmaßnahmen - wie die Entschwefelung von Kohlekraftwerken - ebenso wie etwa für den Erhalt von Naturschutzflächen oder die Förderung erneuerbarer Energien."

Dagegen erzeugt unterlassener Umweltschutz Jahr für Jahr gesellschaftliche Folgekosten in bis zu dreistelliger Milliardenhöhe. Berechnet werden dabei umweltbedingte Gesundheitsschäden, Ernteausfälle, Produktivitätsverluste und Schäden an Gebäuden und Materialien. Allein für den Straßenverkehr geht man von externen, also von der Gesellschaft zu tragenden, Kosten von rund 121 Milliarden Euro pro Jahr aus. Mehr als die Hälfte davon seien Umweltfolgeschäden, insbesondere Kosten durch Luftverschmutzung, Lärmbelästigung oder Folgekosten des vermuteten Klimawandels.

Für die Förderung der erneuerbaren Energien - mit der Ökosteuer das Herzstück der rot-grünen "Energiewende" - entsteht für den Durchschnittshaushalt eine Mehrbelastung von rund acht Euro pro Jahr. Die volkswirtschaftlichen Einsparungen durch die erneuerbaren Energien betrugen dagegen 2,5 Milliarden Euro, also rund 65 Euro pro Haushalt und Jahr.

Da moderne Umweltschutzmaßnahmen meist mit der Entwicklung von Spitzentechnologie verbunden sind, haben sie positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, besonders im Bereich der umweltorientierten Dienstleistungen. Eine neue Studie des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung (München) zeigt, daß die Zahl der Umweltschutzarbeitsplätze inzwischen deutlich die Millionengrenze überschreitet. Insgesamt hingen 1998 mindestens 1,3 Millionen Arbeitsplätze vom Umweltschutz ab. Bezogen auf die 1998 insgesamt 37,5 Millionen Erwerbstätigen waren dies immerhin rund 3,6 Prozent aller Beschäftigten. Das klingt zwar nach wenig, damit waren aber durch den Umweltschutz mehr Menschen beschäftigt als zum Beispiel im Maschinenbau, im Fahrzeugbau oder in der Lebensmittelindustrie. Die UBA-Studie weist darauf hin, daß die Schätzung von gut 1,3 Millionen Arbeitsplätzen im Umweltschutz lediglich die Untergrenze der tatsächlichen Beschäftigungswirkungen darstellt. Denn wichtige Beschäftigungsfelder ließen sich bisher aufgrund von Abgrenzungsproblemen oder fehlenden Datengrundlagen nicht oder nur unzureichend erfassen.

Umweltschutz ist aber nicht nur vor der "eigenen Haustür" gefragt, sondern stellt einen zunehmend lukrativen Exportartikel dar. Der globale Markt für Umweltschutzgüter und -dienstleistungen im Jahr 1999 umfaßte ein (geschätztes) Umsatzvolumen von rund 550 Milliarden Euro. Allein zwischen 1998 und 1999 wuchs dieser Markt in den Industrieländern um sieben bis neun Prozent, in den Entwicklungsländern sogar noch stärker. Experten gehen davon aus, daß der Markt für Umweltschutzgüter und -dienstleistungen zu den am stärksten wachsenden Wirtschaftsbereichen des 21. Jahrhunderts gehören wird.

Einen erheblichen Wachstumsschub erwartet man sich durch die EU-Beitrittskandidaten, da diese Länder 80 bis 110 Milliarden Euro in den Umweltschutz investieren müssen, um die gegenwärtigen EU-Standards im Umweltschutz zu erfüllen. Für die deutsche Industrie bieten sich hier gute Chancen, eine ihrer letzten verbliebenen Wettbewerbsvorteile zu verteidigen. Wie stark der deutsche Vorsprung durch andere Politikfelder (Steuerpolitik) der rot-grünen Bundesregierung konterkariert wird, kann man der UBA-Studie nicht entnehmen.


 
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