© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/03 28. Februar 2003


Irak-Debatte
Kritiker in der Defensive
Dieter Stein

Seit Wochen werden die Nachrichten von der Irak-Krise bestimmt. Wie Kaninchen auf die Schlange starren wir auf den Truppenaufmarsch am Golf. Immer schwächer werden die Signale, die eine politische Lösung dieses Konflikts andeuten. Immer deutlicher werden die Anzeichen, daß der Angriff auf den Irak stattfindet - so oder so.

Zur Psychologie dieser kriegerischen Mobilmachung gehört, daß sich ein wachsender Teil des Publikums inzwischen entnervt sagt: Hoffentlich schlagen sie endlich los, dann ist das Ganze bald vorbei. Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges auf deutscher Seite schildern ähnliches angesichts der erwarteten Invasion der Alliierten in der Normandie, die feststand, sich aber immer wieder hinauszögerte. Sie seien erleichtert gewesen, als es losging, schildern viele Veteranen: "Endlich kamen sie!"

Derjenige, der Bedenken artikuliert, gerät angesichts des näherrückenden Angriffs immer stärker in die Defensive: Der Mensch sucht instinktiv die Nähe des Stärkeren. Es führt, wer die Initiative erfolgreich an sich reißt. All dies spielt in den täglich am Arbeitsplatz, unter Freunden, in der Familie, aber auch in den Talkshows geführten Debatten eine Rolle.

In der vergangenen Woche hat diese Zeitung ihre Leser aufgerufen, Beiträge zu dieser Debatte einzusenden unter dem Motto: "Spaltet die Irak-Krise unsere Nation?" (Einsendeschluß 28. Februar) Schon jetzt ist absehbar, daß die Frage die Einsender dieser Beiträge tatsächlich spaltet. Kontrovers stehen sich Kritiker und Befürworter der US-Außenpolitik gegenüber.

Ein moderner Krieg ist immer auch ein Krieg der Informationen. Je näher ein Angriff rückt, um so dichter wird der Nebel der Desinformation. Tagtäglich wird es schwieriger, zwischen glaubwürdigen und unglaubwürdigen Nachrichten zu unterscheiden. Es gehört zur legitimen Strategie der USA und ihrer Verbündeten, die Öffentlichkeit über ihre Motive zu täuschen und dem Gegner nicht Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Interessant ist es deshalb, auf Zwischentöne zu hören. Wir versuchen, möglichst vielen kritischen Beobachtern Raum in dieser Zeitung zu geben und selbst nicht zum Instrument psychologischer Kriegsführung zu werden, um den Preis des Vorwurfs der "Einseitigkeit". Viele Medien erliegen in diesen Tagen der Versuchung, unreflektiert Bildmaterial und Meldungen der potentiellen Kriegsparteien weiterzuverbreiten. Unparteiisch zu sein, fällt immer schwerer, denn es wird uns zugerufen: "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich." Wer den Angriff auf den Irak ablehnt, wird zum Verharmloser des Diktators Saddam Hussein. Man muß kein illusionistischer Pazifist sein und kann trotzdem diesen unsinnigen Krieg ablehnen.

Welcher radikaler Eifer hat die "Koalition der Willigen" des Westens befallen, sich gegen die massiven Bedenken und auch die Mehrheit der eigenen Bevölkerung zu stellen, die sich gegen einen Präventivschlag am Golf wendet?


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