© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/03 21. Februar 2003

 
Meldungen

Sonderwegbereiter: Spengler und Berdjaev

KÖLN. Die Schriften Nietzsches und Dostojewskis beeinflußten maßgeblich die geschichtsphilosophische Zivilisationskritik Oswald Spenglers und Nikolai Berdjaevs. Diese nicht eben unbekannte Einsicht reformuliert die Berliner Lektorin Susanne Pocai, um den geistesgeschichtlichen Wurzeln des deutschen und russischen "Sonderbewußtseins" nachzugehen (Osteuropa, Heft 12/02). Die wechselseitige Rezeption Nietzsches und Dostojewskis in Deutschland und Rußland, die vor allem in den zwanziger Jahren von Spengler und dem heute fast vergessenen, vor den Bolschewiken geflohenen "Modephilosophen" Berdjaev verbreiteten Ideologeme haben als "Stabilisator und als Katalysator" dieses Sonderbewußtseins gewirkt. Die Überzeugung von der politisch-kulturellen Sonderrolle des jeweils eigenen Volkes im "dekadenten" Abendland sei mehr als nur ein Aspekt der deutschen wie der russischen Ideengeschichte. Sie sei vielmehr strukturell prägend gewesen, wie die auffallend selten aus den Originaltexten zitierende Pocai meint. Spengler und der nach 1990 in Rußland wieder verstärkt rezipierte Emigrant Berdjaev gehörten damit in die "totalitäre Geschichte dieser beiden Staaten".

 

Menschenbild in China und Japan

WIESBADEN. Ob Japaner wirklich bessere Liebhaber sind, wie der Titel einer bundesdeutschen Filmkomödie aus den neunziger Jahren behauptete, können vermutlich auch die in Mode gekommenen "intellektuellen" Studien der traditionellen geisteswissenschaftlichen Disziplinen nicht ermitteln. Aber daß ganz allgemein der "Ort des Menschen" in "der sino-japanischen Tradition" ein anderer ist als in der abendländischen, versucht Wolfram Naumann nachzuweisen (Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, 2/02). In der chinesischen "Lehre von den drei Potenzen" nehme der Mensch keine abhängige Stellung zwischen Himmel und Erde ein. Er stehe in der Mitte, "aber nicht etwa als Mittler". Folglich kenne die chinesisch-japanische Tradition auch keine religiösen Mittlerfiguren, die die Verantwortung für das Heil anderer übernehmen. Starke anthropologische Differenzen zum Abendland weist auch das Verständnis des Menschen als "Fremder" auf. Zwischen dem "Land jenseits der Grenze" und seinen Bewohnern, den "anderen Menschen", gebe es keine "mitmenschliche Klammer" und "völkerverbindende Offenheit".

 

Von der Theokratie direkt zur Demokratie

MÜNCHEN. Unter dem harmlos-neutral klingenden Titel "Grundprobleme Politischer Theologie" vergleicht Reinhart Maurer, emeritierter Berliner Professor der Philosophie, das Werk des Heidelberger Ägyptologen und Kulturphilosophen Jan Assmann mit den Denkfiguren Carl Schmitts (Zeitschrift für Politik, 4/02). Maurer ordnet dabei den Schmitt-Kritiker nicht nur einer besonderen Variante des bundesdeutschen "Heilsdenkens", der "fundamentaldemokratischen Vertragstheorie" zu, die in Gestalt von Habermas' Phantasma eines "Diskurskonsens zwischen rational-autonomen Individuen" den Zeitgeist beherrscht. Die eigentliche Brisanz entfalten Maurers Reflexionen erst in dem Versuch, Assmanns Begriff von jüdischer Theokratie zu destruieren, der verkenne, wie stark sie "Vorbereitung" auf das politische Ideal der "herrschaftsfreien Demokratie" sei.

 

Erste Sätze

Ein gespaltenes Christentum ist ein Widerspruch in sich.

Joseph Lortz: Die Reformation in Deutschland. Erster Band: Voraussetzungen/ Aufbruch/ Erste Entscheidungen, Freiburg/ Breisgau 1939


 
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